Kommentar zum neuen Finanzminister Olaf Scholz bewegt sich auf Schäubles Spuren

Meinung | BERLIN · In seiner ersten Rede als neuer Finanzminister im Bundestag glich Olaf Scholz inhaltlich seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble. In den nächsten dreieinhalb Jahren dürften aber deutliche Unterschiede zwischen beiden erkennbar werden, glaubt GA-Autorin Birgit Marschall.

 Jungfernrede als Finanzminister: Olaf Scholz bei der Darstellung seiner Politik am Donnerstagmorgen im Bundestag.

Jungfernrede als Finanzminister: Olaf Scholz bei der Darstellung seiner Politik am Donnerstagmorgen im Bundestag.

Foto: dpa

Was will Olaf Scholz? In seiner ersten Bundestagsrede als Finanzminister ließ der frühere Hamburger Bürgermeister die Chance aus, die Linien einer sozialdemokratischen Finanz- und Europapolitik zu zeichnen. Scholz unterschied sich kaum vom CDU-Vorgänger Schäuble. Kontinuität und Stabilität scheinen zunächst der Maßstab für Scholz zu sein, dessen stärkste Botschaft in den vergangenen Tagen gewesen ist, dass er der SPD trotz ihrer schlechten Umfragewerte zutraut, 2021 den nächsten Bundeskanzler zu stellen. Wenn Politiker solche Sätze formulieren, dann bedeutet das auch: Er selbst sähe sich gern als nächsten Kanzler.

Bis dahin sind es noch dreieinhalb Jahre, in denen sich Olaf Scholz erst einmal beweisen muss. Der 59-Jährige findet dafür denkbar günstige Bedingungen vor. Die Steuereinnahmen wachsen schneller als die Gesamtwirtschaft. In die Flüchtlingsrücklage von 24 Milliarden Euro könnte er bei Engpässen jederzeit greifen, ein fettes Sicherheitspolster. Damit ist der Haushaltsausgleich ohne Neuverschuldung ein Selbstläufer. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD allerdings Ausgabenwünsche niedergelegt, die weit über die Summe hinausgehen, die sich die bisherige große Koalition geleistet hatte. Insofern wird es für Scholz etwas schwerer als für seinen Vorgänger, die schwarze Null über vier Jahre zu halten.

Herausforderung im Wahljahr 2021

Auch der Wille dazu und die Überzeugung dürften hier bei Scholz weniger ausgeprägt sein als beim Vorgänger von der Union, zu deren DNA der Haushaltsausgleich gehört. Vor allem das Wahljahr 2021 verspricht eine Herausforderung zu werden: Dann fallen die dicksten Brocken an Mehrausgaben und Mindereinnahmen an. Allein zehn Milliarden Euro wird der Bund jährlich verlieren, wenn der Soli ab 2021 für 90 Prozent der Steuerzahler abgebaut wird. Wer erst aus dem Vollen greifen kann, dem fällt Sparen später umso schwerer.

Doch die Musik spielt in dieser Legislaturperiode nicht in der Haushalts- und wieder einmal auch nicht in der Steuerpolitik, sondern in der Europapolitik. Deutschland muss auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron zur Weiterentwicklung der Euro-Zone antworten, Europa wartet darauf. Im Bundestag gab sich Scholz dazu gestern noch bedeckt. Er wird sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eng abstimmen müssen, ihr aber nicht das Feld überlassen.

Allerdings wird Merkel in der europäischen Finanzpolitik bei Scholz genauer hinschauen als vorher bei Schäuble. Denn einer weiteren Vergemeinschaftung von Schuldenrisiken in der Euro-Zone steht die SPD weniger kritisch gegenüber als die Union, solange diese Vergemeinschaftung zur Stärkung von Investitionen und zum Abbau von Ungleichheit beiträgt. Hier verläuft die wichtigste Konfliktlinie zwischen den Koalitionspartnern, und die SPD hat mit Scholz jetzt viel mehr Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten als in der letzten Periode.

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