Kommentar zur Generaldebatte des Bundestags Merkels Etat

Meinung | Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft mit ihrer Flüchtlingspolitik den Kampf ihrer Kanzlerschaft – gegen große Teile ihrer CDU und gegen die versammelte Schwesterpartei CSU.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU, im Deutschen Bundestag in Berlin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU, im Deutschen Bundestag in Berlin.

Foto: dpa

Es geht um den letzten Haushalt dieser großen Koalition. Die Opposition, deren große Stunde jeweils in der Generaldebatte über den Kanzleretat schlägt, stellt aus naheliegenden Gründen schon einmal beschwörend fest: Die „GroKo“ ist am Ende, wie es Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch betont und zugleich, man weiß ja nie, der SPD die Bereitschaft zur Übernahme von Regierungsverantwortung angeboten hat. Dieser Spätsommer liefert einen ersten Vorgeschmack auf die Wahlauseinandersetzung des kommenden Jahres.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach der Wahlniederlage in ihrer politischen Heimat Mecklenburg-Vorpommern erstmals angezählt, ist weiter überzeugt: „Wir schaffen das.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel stichelt, ja, Aufnahme und Integration Hunderttausender Flüchtlinge ist zu schaffen, aber dazu müsse man die Voraussetzungen schaffen.

Wahlkämpfer Gabriel erkennt instinktiv Ängste der heimischen Bevölkerung, Flüchtlinge könnten ihnen womöglich etwas wegnehmen, und macht dies zum Thema. In Mecklenburg-Vorpommern aber hat vor allem die Alternative für Deutschland gepunktet. Alle anderen haben verloren.

Bundeskanzlerin Merkel kämpft mit ihrer Flüchtlingspolitik den Kampf ihrer Kanzlerschaft – gegen große Teile ihrer CDU und gegen die versammelte Schwesterpartei CSU. Bei Helmut Schmidt war es der Nato-Doppelbeschluss, bei Gerhard Schröder war es die Reformagenda 2010. Die Kanzler Schmidt und Schröder setzten ihre strittigen Vorhaben jeweils aus innerster Überzeugung gegen großen Widerstand ihrer SPD durch. Merkels Thema, mit dem sie die Unterstützung ihrer Partei und damit auch ihre Kanzlerschaft riskiert hat, ist der Zuzug von mehr als eine Million Menschen aus Staaten in Krieg, Bürgerkrieg und Elend.

Noch hat Merkel nicht erklärt, ob sie 2017 dann ein viertes Mal für das höchste Regierungsamt in Deutschland kandidieren wird. Merkel hat Steherqualitäten. Ihre Debattenrede lieferte keinen Beleg dafür, dass die CDU-Vorsitzende aktuell von massiven Zweifeln an der Richtigkeit ihrer Politik gequält würde. Kanzleramt und Parteivorsitz gehören für Merkel zusammen, was darauf schließen lässt, dass sie spätestens beim CDU-Parteitag im Dezember in Essen, wenn die CDU ihre Spitze neu wählt, im Falle einer erneuten Kandidatur für den Parteivorsitz auch ihre vierte Kanzler(in)kandidatur offen macht.

Merkel hat mit ihrer Rede zum Kanzleretat im Prinzip die Frage gestellt: Welches Land wollen wir sein? Auch darüber werden die Menschen im kommenden Jahr abstimmen. Die Menschen wollen Sicherheit und Perspektive, aber Merkels Deutschland soll auch für Gerechtigkeit und Solidarität stehen. „Deutschland wird Deutschland bleiben – mit allem was uns daran lieb und teuer ist.“ Dieser Satz Merkels soll ebenso beruhigen wie er eine Ansage ist: Die Kanzlerin will es wissen.

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