Kommentar zur Zukunft der Arbeit Licht und Schatten

Meinung | Berlin · Wie alle bisherigen industriellen Revolutionen wird auch der kommende Umbruch neue Handlanger-Tätigkeiten schaffen: Schlechte Jobs mit niedriger Produktivität, Bezahlung und Absicherung.

 Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) stellt am 29.11.2016 in Berlin Vorschläge für die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter vor.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) stellt am 29.11.2016 in Berlin Vorschläge für die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter vor.

Foto: dpa

Angeblich läuft gerade die vierte industrielle Revolution. Nach der Dampfmaschine, der Elektrifizierung und der Einführung der Computer sei nun die Vernetzung aller Dinge im Gange. In den USA zählt man dagegen erst den dritten großen Umbruch. Zwischen der Epoche der Computer und des Internets wird dort nicht unterschieden. Allein diese Differenz zeigt, wie relativ und wackelig unsere Standortbestimmung ist. Ihre Gegenwart und erst recht ihre Zukunft können die Menschen oft nicht richtig einschätzen – mangels Überblick und ausreichender Information.

„Freude an der Apokalypse“ erkennt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bei Prognosen, die die Hälfte oder gar 80 Prozent unserer heutigen Arbeitsplätze durch Automatisierung für gefährdet halten. Bodenständigere Wissenschaftler meinen dagegen, dass sich zehn Prozent der Beschäftigten Sorgen machen müssen. Die Spannbreite belegt: In dieser Frage tappen wir einfach im Dunkeln.

Sicher ist dagegen, dass ein paar Dinge neu geregelt werden müssen. Es geht um die Arbeitsverfassung in der Zeit der digitalen Wirtschaft. Die flexiblen Arbeitszeiten gehen heute oft zulasten der Arbeitnehmer. Nicht selten sind sie so flexibel, dass die Beschäftigten keine Bezahlung erhalten, wenn sie abends ihre E-Mails bearbeiten oder am Samstag mal schnell eine Studie Korrektur lesen.

Wenn Nahles hier Grenzen setzen will und eine gesetzliche Regulierung anstrebt, liegt sie richtig. Viele Modelle aus den Unternehmen zeigen auch, dass sich Kompromisse finden lassen, die den Interessen der Firmen und der Arbeitnehmer gleichermaßen entgegenkommen.

Ein schwierigeres Problem tut sich allerdings auf, wenn es um die Modernisierung der sozialen Sicherung geht. Denn schon jetzt ist absehbar, dass im Zuge der Digitalisierung nicht nur Arbeitsplätze für gut ausgebildete und ordentlich bezahlte Beschäftigte entstehen. In der Internetwirtschaft gibt es nicht nur Wissensarbeiter.

Wie alle bisherigen industriellen Revolutionen wird auch der kommende Umbruch neue Handlanger-Tätigkeiten schaffen. Schlechte Jobs mit niedriger Produktivität, Bezahlung und Absicherung. Beispiele sind die Radfahrer, die in den Städten die Steaks und Salate fürs Abendessen liefern, die man von zu Hause im Netz bestellt. Wenn die Lieferanten Mindestlohn erhalten, haben sie Glück gehabt. Auch das ist Digitalökonomie. Hier muss man über neue, zusätzliche Ansprüche auf soziale Sicherung nachdenken – etwa höhere Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger.

Möglicherweise wird es bald mehr Leute geben, die auf eine Kombination öffentlicher Transfers und privater Arbeitseinkommen angewiesen sind. Solche Fragen müssen geklärt werden, damit nicht politische Bauernfänger Profit aus sozialer Unzufriedenheit schlagen.

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