Der ewige Präsident Wladimir Putin startet in vierte Amtszeit

Moskau · Zum vierten Mal ist Wladimir Putin am Montag als russischer Präsident vereidigt worden. Trotz Personalwechsel in den hinteren Reihen ist die Hoffnung auf Reformen gering.

 Der Präsident als Souvenir: In Moskau werden Matrjoschka-Puppen mit Putin-Motiv verkauft.

Der Präsident als Souvenir: In Moskau werden Matrjoschka-Puppen mit Putin-Motiv verkauft.

Foto: AP

Hinterher, nach dem Vorbeimarsch des Kremlregiments, nähert sich Wladimir Putin dem Volk. Genauer, 1500 handverlesenen Anhängern aus ganz Russland. Junge, schöne Menschen, viele von ihnen tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Putin-Team“. Ein Mädchen erklärt dem Präsidenten strahlend: „Wir sind Ihre Mannschaft, wir werden immer mit Ihnen sein.“ Ihre Nachbarn strahlen Putin an, fuhrwerken mit ihren Smartphones, um den neuen und alten Staatschef zu fotografieren.

Dieses euphorische Publikum passte zu jener „harmonischen Einheit von freiem Bürger, verantwortlicher Zivilgesellschaft und starkem Staat“, den Putin wenige Minuten zuvor beschworen hatte.

Seit Montag ist Putin nun zum vierten Mal russischer Präsident geworden. Es war eine flotte Amtseinführung. Nur sechs Minuten nach Beginn der Zeremonie legte der Staatschef seine Hand auf eine in Leder gebundene Verfassung und sprach seinen Amtseid. Die 3500 Parlamentarier, Topbeamten, Spitzensportler und Kulturschaffenden, die sich im vergoldeten Andrejew-Saal des Großen Kremlpalastes drängten, sangen die Nationalhymne, dann redete Putin.

Putin spricht von "kolossaler Verantwortung"

Er verspüre in diesen Minuten ganz besonders seine „kolossale Verantwortung“ vor jedem Bürger und ganz Russland, sagte der 65-Jährige. Sein Leben und seine Arbeit ziele darauf, den Menschen und dem Vaterland zu dienen. Russland stehe vor „historischen Aufgaben“, die dessen Schicksal auf Jahrzehnte vorherbestimmten. „Eine neue Lebensqualität, Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit des Menschen, das ist heute das Wichtigste“, sagte Putin. Sein Land sei in seiner tausendjährigen Geschichte wiederholt in Zeiten der Wirren geraten. „Und immer ist es als Phönix aus der Asche hervor gestiegen, hat als unerreichbar geltende Höhen bezwungen, für denen anderen die Kraft fehlte“, so der Präsident. „Für unser Land aber wurden sie zur Sprungschanze für weitere gewaltige Schritte nach vorn.“

Putin hatte das höchste Amt bereits von 2000 bis 2008 inne und und übernahm es 2012 erneut. Bei den Präsidentschaftswahlen holte er fast 77 Prozent. Allerdings war mit Alexei Nawalny sein entschlossenster Konkurrent erst gar nicht zu den Wahlen zugelassen worden. Auf Nawalnys Initiative hatte es am Samstag unter der Parole „Du bist uns kein Zar!“ landesweite Proteste gegen Putins vierte Amtszeit gegeben, dabei wurden Nawalny und mehr 1500 Demonstranten zum Teil brutal festgenommen.

Unter den Gästen bei der Zeremonie am Montag waren auch der Hollywood-Alt-Mime Steven Seagal und Alexander Saldostanow, der Führer der nationalistischen Motorradgang „Nachtwölfe“. Er erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, er habe sich zu dem Anlass erstmals ein weißes Hemd angezogen.

Schröder steht neben Medwedew

Während Putin sprach, blieben die staatlichen TV-Kameras aber vor allem am deutschen Altbundeskanzler Gerhard Schröder hängen. Er stand zwischen dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kiril und Premierminister Dmitri Medwedew in vorderster Reihe. Allerdings galt diese Aufmerksamkeit wohl vor allem Schröders Nachbarn Medwedew, der laut Verfassung zu Putins Amtsantritt mit dem gesamten Kabinett seinen Abschied nehmen musste. Und dessen politische Zukunft damit zumindest für Stunden ungewiss war.

Nach Putins Rede stimmte ein Chor die alte Zarenhymne „Rühme dich, Russland-Heimat, rühme dich“ an. Das Publikum klatschte rhythmisch, der Präsident aber stieg gelassen vom Podium herab, schüttelte Kirill, Schröder und Medwedew die Hand. Der Premier verzog dabei keine Mine, aber das warme Lächeln, dass seine Frau Swetlana Putin schenkte, ließ Gutes für ihren Gatten ahnen. Und keine drei Stunden nach seinem eigenen Amtseid schlug der Präsident seinen Getreuen Medwedew wieder zum Premierminister vor. Dass die Staatsduma diese Kandidatur in den nächsten Tagen bestätigen wird, gilt als Formsache.

Es wird aber erwartet, dass einige Minister ihre Posten verlieren. Im Andrejew-Saal war am Montag auch Vizepremier Arkadi Dworkowitsch zu sehen, unrasiert und unfroh lächelnd. Wie aus der Staasduma verlautete, soll Medwedew ihn nicht mehr als Stellvertreter vorsehen. Im März waren die Brüder Sijawidun und Magomed Magomedow verhaftet worden, die unter Medwedew und Dvorkowitsch mit undurchsichtigen Geschäften Dollarmilliarden verdient hatten. Das Strafverfahren gegen sie wurde in Moskau als Anzeichen gewertet, dass Premier und Vizepremier Putins Gunst verloren haben könnten.

Medwedew aber gehörte schon in den 90er Jahren im Petersburger Rathaus zu den engsten Mitarbeiter des damaligen Vizebürgermeisters Putin. „Er ist der einzige Mensch, dem Putin vertraut“, zitiert das Wirtschaftsportal RBK einen anonymen Kremlbeamten.

Und nach Ansicht vieler Experten bedeutet Medwedews Neuernennung, dass sich in Russland trotz aller Aufrufe Putins wenig ändern wird. „Alles bleib, wie es ist“, sagte der Petersburger Politologe Dmitri Trawin unserer Zeitung. „Putins setzt seine Außenpolitik und Medwedew seine Wirtschaftspolitik fort, ernsthafte Reformen finden nicht statt, einzig die Steuern werden sie erhöhen und das Rentenalter heraufsetzen.“ Auch wenn man jetzt diverse Minister entlasse, würden diese kaum durch starke Kandidaten ersetzt, die eine eigenständige Politik riskierten. „Die Stagnation geht weiter.“

Sorgt Autoindustrie für Durchbruch?

Putin fuhr die wenigen Meter von seinem Büro im Kreml zum Großen Kremlpalast in einer neuen schwarzen Panzerlimousine der neuen vaterländischen Marke EMP. „Wir erleben heute die Präsentation einer neuen Automarke russischer Produktion“, jubelte der Korrespondent des Nachrichtensenders Rossija 24. Das neue Luxusmobil, das bisher als Projekt „Kortesch“ bekannt war, solle nicht nur als Staatskarosse rollen, sondern auch in Serie gehen. Bleibt abzuwarten, ob der russischen Pkw-Industrie doch der erste Putinsche Durchbruch gelingt.

Der Präsident wird nun zunächst auf seinen Sommersitz nach Sotschi reisen, wo er Mitte Mai Angela Merkel zu Gesprächen erwartet. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will noch im Frühjahr bei Putin vorbeikommen.

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