Kommentar zu den Kongresswahlen Was die Halbzeitwahlen für Donald Trump bedeuten

Meinung | Washington · Die Wahl am Dienstag wird Aufschluss darüber geben, ob das Volk US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus Leitplanken setzt. Trotzdem lässt der Ausgang der Wahl nichts gutes erahnen, meint unser Autor.

Halbzeitwahlen in Amerika produzieren meist schlechte Nachrichten für die Partei des Präsidenten - und ihn selbst. Der Wähler nutzt die alle zwei Jahre anberaumte Stimmungs- und Leistungsprobe an der Urne traditionell für schmerzhafte Nasenstüber; in der Hoffnung, dass sich das Kraftzentrum der US-Politik, der Kongress, neu einpegelt.

Seit ein schlauer Berater des Demokraten Bill Clinton 1992 den Spruch „It’s the economy, stupid“ geprägt hat, gilt als kapitalistische Gebrauchsweisheit: Die Lage der Wirtschaft überragt am Ende alle anderen Themen, wenn der Wähler Noten verteilt.

So betrachtet, müssten Donald Trump und die Republikaner morgen mit einem Erdrutschsieg rechnen. 3,7 Prozent Arbeitslosigkeit. Konstante Jobzuwächse. Steigende Löhne. Eine durch Steuer-Doping und Strafzölle angeheizte Boom-Wirtschaft. Rekord an den Börsen. Die Aussicht auf neue Handelsabkommen von Kanada über Mexiko bis China: Auch wenn die Nachhaltigkeit der „Trumponomics“ in Zweifel steht, weil die guten Zahlen durch eine enorme zusätzliche Verschuldung der öffentlichen Haushalte erkauft ist, könnte der Ist-Zustand kaum besser sein.

Allein, die Wirtschaftdaten übersetzen sich nicht in Anerkennung und Zustimmung für den Mann an der Spitze. Trump hatte den Amerikanern im Wahlkampf in der ihm eigenen Hybris versprochen, sie würden es schon bald „gründlich satt haben“, dass die Vereinigten Staaten unter seiner Führung nur noch „gewinnen“ werden. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten hat stattdessen die Nase voll einem Präsidenten, der Amerika an den Rand eines politisch-gesellschaftlichen Ermüdungsbruchs geführt hat.

Wer nicht zu den Tausendprozentigen auf beiden Seiten zählt, ist nach (den Wahlkampf mit berechnet) bald dreieinhalb Jahren im Löwenkäfig mit Dompteur Donald ausgelaugt wie nach einem Marathon. Der tägliche Zirkus aus Menschenverachtung, Rassismus, Respektlosigkeit, Lügen und Medienschelte, den Trump mittels (a)sozialer Zwitscher-Medien inszeniert, hat den Charakter Amerikas deformiert. Das unverkrampft Leichte, das Wir-sitzen-bei-allen-Meinungverschiedenheiten-stolz-im-gleichen Boot ist auf dem Rückmarsch. Einzug hält stattdessen ein Wir-gegen-die-Stammesdenken, in dem verbaler Furor oft nur einen Wimpernschlag von handfester Auseindersetzung entfernt ist. Nicht ohne Grund sehen 40 Prozent das Land auf dem Pfad in einen neuen Bürgerkrieg. Ernsthaft.

Dazu kommt: Wer regelmäßig mit Menschen außerhalb der Blase Washingtons spricht, gewinnt den Eindruck, dass die Hauptstadt an der Nation vorbeiregiert. Brot-und-Butter-Themen wie soziale Sicherheit, Krankenversicherung, Schule und Ausbildung oder die Konsolidierung der (unter Trump noch verheerender) gewordenen Staatsfinanzen werden durch Scheingefechte um erfundene Einwanderer-Invasionen erdrückt.

Die Wahl am Dienstag wird Aufschluss darüber geben, ob das Volk dem Extremisten im Weißen Haus Leitplanken setzt. Umfragen nach zu urteilen, ist der Verlust der republikanischen Mehrheit in einer der beiden Kongress-Kammer nicht unwahrscheinlich. Käme es so, und das ist die Tragik des manövrierunfähigen Zwei-Parteien-Systems in den USA, bedeutete das nicht das Ende der ideologischen Besessenheit. Eine Patt-Situation, die unter Vernunftbegabten zu Kompromissen führen würde, kann im schlimmsten Fall die Blockade besiegeln und Trumps Neigung zu autokratischem Alleinregieren verstärken. Gewinnen die Republikaner, wird alles noch schlimmer. Dann hieße es: Trump außer Rand und Band.

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