Spaniens künftiger Regierungschef Schwieriger Anlauf in Spanien

Madrid · Nach zehn Monaten politischem Stillstand wagt Spaniens künftiger Regierungschef Mariano Rajoy das Experiment Minderheitsregierung.

 Spaniens künftiger Regierungschef Mariano Rajoy.

Spaniens künftiger Regierungschef Mariano Rajoy.

Foto: dpa

Spanien steuert nach zehn Monaten politischem Stillstand auf eine konservative Minderheitsregierung zu, die alles andere als politische Beständigkeit verheißt. Der designierte Regierungschef Mariano Rajoy, der sich im Parlament künftig mit einer zahlenmäßig überlegenen Opposition arrangieren muss, rief alle Parteien zum Dialog und zur Zusammenarbeit auf. „Ich weiß, dass die Regierung weit davon entfernt sein wird, stabil zu sein“, sagte Rajoy.

Der Konservative warnte davor, dass ein Scheitern seines Minderheitskabinetts das Land in ein neues politisches Dilemma stürzen und Neuwahlen provozieren würde. „Es ist genauso schlecht, keine Regierung zu haben, wie eine Regierung, die nicht regieren kann“, sagte der 61-jährige Vorsitzende der konservativen Volkspartei im Parlament, wo er am Donnerstag um Vertrauen warb.

Die Schwierigkeiten, vor denen Rajoy steht, wurden bereits in der komplizierten Prozedur seiner Wahl zum Ministerpräsidenten sichtbar.

Demzufolge kann der Konservative erst im zweiten Anlauf am Samstagabend damit rechnen, vom Parlament mit einfacher Mehrheit gewählt zu werden. In einer ersten Vertrauensabstimmung war für Rajoy nicht die erforderliche absolute Mehrheit in Sicht.

Rajoy regierte in Spanien bereits von 2011 bis 2015. Nachdem er im Dezember vergangenen Jahres in der Parlamentswahl seine absolute Mehrheit verlor und monatelang vergeblich versucht hatte, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen, war er nur noch geschäftsführend im Amt.

Erst der jüngste Kurswechsel der oppositionellen Sozialisten, die sich nach langem Streit dazu durchrangen, Rajoy in der zweiten Abstimmungsrunde per Enthaltung zu einer einfachen Mehrheit zu verhelfen, brachte die Wende. Ein Freibrief zum Regieren sei dies jedoch nicht, sagte Sozialistensprecher Antonio Hernando.

Rajoy habe nicht das Vertrauen der Sozialisten und müsse sich seine Mehrheit nun „Woche für Woche“ erarbeiten, sagte Hernando. Das gelte auch für den Haushalt 2017, erster Prüfstein für Rajoys Dialogbereitschaft, dessen Akzeptanz derzeit eher unwahrscheinlich sei.

Angesichts der schwierigen Machtverhältnisse im Parlament ist es gut möglich, dass Spaniens bisherige politische Lähmung mit der neuen Minderheitsregierung nicht beendet wird.

Die konservative Volkspartei hält im Parlament nur 137 der 350 Mandate. Rajoy kann aber zum Regieren auch mit den 32 Stimmen der kleinen bürgerlichen Partei Ciudadanos (Bürger) rechnen, die mit Rajoy einen Pakt schloss. Somit kann sich die Minderheitsregierung künftig auf 169 Abgeordnete stützen – die absolute Mehrheit liegt bei 176. Auf der Oppositionsbank sitzen die Sozialisten, die linksalternative Partei Podemos (Wir können) und die regionalen Parteien aus Katalonien sowie dem Baskenland.

Rajoy bot einen Pakt an, um die großen Herausforderungen anzugehen. Dazu gehört das wankende Rentensystem. Die Massenarbeitslosigkeit, die auf knapp 19 Prozent sank, aber immer noch dramatisch hoch ist.

Die Perspektivlosigkeit der jungen Spanier, die durch die Jobkrise zum Emigrieren gezwungen werden. Oder die drohende Abspaltung der rebellischen Region Katalonien, die sich durch Verbote und Gerichtsurteile nicht aufhalten lassen will. Das Land stehe vor Problemen, sagte Rajoy, „welche das Land noch für Generationen prägen können“.

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