Kommentar zu Trumps Wut-Zirkus Medien-Dompteur Donald Trump

Washington · Die „New York Post“ hat Donald Trump heute auf dem Titelblatt. Als Dompteur mit Peitsche. Botschaft klar: Journalisten müssen gezüchtigt werden, nicht wilde Löwen.

Die publizistische Steigbügelhalterei der Boulevardzeitung seines Kumpels und Medien-Unternehmers Rupert Murdoch wird dem amerikanischen Präsidenten gefallen haben. Die ganze Welt ein Zirkus - und Trump der Direktor. Tusch. Beifall. Noch schnell ein Kaninchen aus dem Hut zaubern. Bringt die Clowns rein!

Wenn die Darbietung nicht so bitter bündeln würde, was sich am Donnerstag im Weißen Haus abgespielt hat, man könnte bei allem Fremdschämen lachen. Trumps beispielloses Tiraden-Gewitter gegen jeden, der sich weigert, ihn uneingeschränkt großartig zu finden, markiert aber den vorläufigen Tiefpunkt einer Präsidentschaft, der es an so gut wie allem fehlt: Format, Kompass, Würde, Verstand, Substanz.

Über die Inhalte der intellektuell zwischen Big Brother und Dschungel-Camp angesiedelten Breitband-Attacke zu philosophieren, ist wie fast immer bei Trump müßig. Klar doch, seine Anhänger werden am Samstag, wenn ihr Idol in Florida de facto den Wahlkampf für 2020 eröffnet, aus dem Häuschen sein. Der große Rest abseits der 60 Millionen, die ihn gewählt haben, wird sich kneifen (Hab ich das grad wirklich gesehen und gehört??) oder mit angewidertem Staunen abwenden.

Trump außer Rand und Band, das ist eine schwer verdauliche Überdosis Reality-Fernsehen der schlechteren Sorte. Inhalt: Achterbahnfahrt durch das Hirn eines wehleidigen Narzissten. Kaum ein Vorwurf hält näherer Überprüfung stand. Immer steht ihm sein übergroßes Ego im Weg. Vieles ist geschmacklos und unter der Gürtellinie. Das meiste grenzt an schlechten Dadaismus. Etwa seine Beschreibung, dass die regelmäßigen Enthüllungen („Leaks“) mit denen seine Administration gerade zu kämpfen hat, echt sind, die Berichterstattung darüber aber den Tatbestand von Phantasie-Journalismus („fake news“) erfüllt. Aha.

Wichtiger ist aber etwas anderes. Zum wiederholten Mal hat Trump für seine über eine Pannen-Meldung nach der nächsten irritierte Stammgefolgschaft einen kostenlosen PR-Stunt hingelegt (viele Sender transportierten die 77 Minuten Polit-Kabarett live), der die echten Themen vorübergehend verdrängt.

Themen wie die offenkundige Lüge seines geschassten Sicherheitsberaters Michael Flynn gegenüber der Bundespolizei FBI in Sachen Russland-Kontakte. Themen wie die Tatsache, dass Trump am laufenden Band mit präsidialen Verordnungen Regierungshandeln simuliert und - Siehe Einreise-Bann - zuweilen vor die Wand fährt. Themen wie Nordkoreas Raketentest-Aggression, Irans Muskelspiele im Nahen Osten, Russlands Auftrumpfen in Syrien wie in der Ukraine oder Chinas Gelüste, das Meer vor seiner Haustür als Privatangelegenheit zu betrachten.

Nirgends hat Trump bisher auch nur im Ansatz eine Antwort oder wenigstens einen Zeit-Horizont parat, der den Eindruck erwecken könnte: Der Mann hat mehr anzubieten als die „strategische Geduld“ seines Vorgängers Barack Obama. Stattdessen fast ausnahmslos: Chaos, Skandale und Inkompetenz.

Weil seine inzwischen bis auf die Knochen blamierten Sprachrohre (Conway und Spicer) öffentlich nicht mehr ziehen, hat sich Trump selbst in die „Manege“ gestellt, um den öffentlichen Diskurs neu zu justieren.

Was als Demonstration von Macht gedacht war, geriet jedoch zur peinlichen Trotz- und Jammer-Aktion. Böse Presse, böse Demokraten, böse Anonyme im Regierungsapparat, die regelmäßig den Medien stecken, wenn der Präsident intern aus der Rolle fällt; ob im Gespräch mit seinem australischen Gegenüber oder dem Kollegen in Mexiko, der partout nicht für die Mauer an der Grenze bezahlen will.

Einmal in Payback-Laune, kennt Trump keine Schamgrenzen mehr. Dass er den Medien Standpauken hält, sie „unehrlich“ und "völlig außer Kontrolle“ nennt, ihre Integrität bis an den Rand der Verleumdung und darüber hinaus in den Schmutz zieht, kannte man aus dem verheerenden Wahlkampf.

Dass er die freie Meinungsäußerung, wozu auch die Kommentierung gehört, generell immer dann für daneben und geradezu anti-amerikanisch hält, wenn ihm die präsentierten Fakten und Einordnungen nicht genehm sind, ist noch neu. Für den Präsidenten Donald Trump, das ist nun klar, hat die Presse wiederzugeben, was er denkt und sagt. Dann hat er sie lieb. Sonst nicht. Das ist krank. Und, man stelle sich nur mal an eine echte Krise vor, gefährlich.

Apropos Liebe. Auf der Suche nach einem „freundlichen Reporter“, der keine unangenehmen Fragen stellt, entdeckte Trump am Donnerstag Jake Turx im Presse-Pulk des Weißen Hauses. Dem unbekannten Mann vom Ami-Magazin war - ohne jeden persönlichen Vorwurf an Trump - höflich daran gelegen, den tatsächlich gerade in Amerika grassierenden Anti-Semitismus konstruktiv zur Sprache zu bringen. Präsident Trump, ohne Empathie, fast taub, fand die Frage „beleidigend“ und schnitt dem Reporter barsch das Wort ab („Setz Dich“). Turx ist orthodoxer Jude.

Wenig später kam die Nachricht, dass der von Trump auserkorene Nachfolger von Sicherheitsberater Michael Flynn dem Präsidenten einen Korb gegeben hat. Der frühere Vize-Admiral Robert Harward soll laut Washington Post gesagt haben, der Job sei wie ein „beschissenes Sandwich“. Wahrscheinlich auch wieder so eine unverschämte Erfindung der Medien.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort