Roaming-Gebühren fallen Ein echter digitaler Markt

Meinung | Brüssel · Ab Mitte Juni fallen die Roaming-Gebühren und sind damit nicht höher als zuhause. Ein Schritt zum Zusammenwachsen der europäischen Wirtschaft? Ein Kommentar von GA-Korrespondent Detlef Drewes.

Als die frühere Brüsseler Kommissarin für Telekommunikation, Neelie Kroes, einmal nach den Roaminggebühren gefragt wurde, antwortete sie: „Man muss bezahlen, um angerufen zu werden. Wo gibt es denn sowas?“ Sie hatte Recht. Auch wenn die Mobilfunk-Konzerne immer wieder auf entstehende Kosten für das Vermitteln von Anrufen, SMS oder Daten mit ihren ausländischen Partnern hinwiesen, war nicht nachvollziehbar, dass diese Union zwar einen grenzüberschreitenden Binnenmarkt errichtet hat, aber beim Telefonieren Grenzen wie vor 25 Jahren bestehen.

Zumal die Begründung der Unternehmen mehr und mehr an den Haaren herbeigezogen war, weil man immer häufiger den Mobilfunk zwischen Mutter und Tochter im eigenen Konzern abwickelte. Der Markt hatte sich längst verändert, während das lukrative Gebührenmodell weiter aufrechterhalten wurde.

Nun fallen die Zuschläge ab Mitte Juni tatsächlich weg. Die EU hat längst erkannt, dass die Preise für mobiles Telefonieren und Surfen zu einem Symbol geworden sind – für den Kampf der europäischen Institutionen gegen die Marktmacht der Konzerne. Aber eben auch für die Infrastruktur einer digitalen Gesellschaft, die zwar an den Inhalten verdienen soll, nicht aber an dem Weg dorthin.

Dieses Motiv wird gerne in der Bilanz vergessen: Brüssel ging es zuletzt zwar auch darum, dem Bürger zu zeigen, dass diese Union für ihn etwas erreichen kann. Der wahre Grund für den entschlossenen Einsatz aber lag stets in dem Versuch, die Unternehmen von Kosten zu befreien, die ihr Engagement auf dem Binnenmarkt teuer und damit ineffizient machen. Man wollte vor allem die Firmen, die sich in allen Teilen Europas engagieren, von Zusatzkosten befreien.

Das, was nunmehr am 15. Juni 2017 beginnen wird, ist letztlich ein weiterer Schritt zum Zusammenwachsen der europäischen Wirtschaft, die, in welchem europäischen Land sie auch immer tätig ist, wie im Inland rechnen und handeln soll. Insofern ist der Wegfall der Auslandszuschläge zwar ein Fortschritt, aber noch nicht das Ziel. Das wäre erst dann erreicht, wenn auch die Netze europäisch gestaltet und die Konzerne EU-weit tätig würden. Denn der Wettbewerb zwischen den Anbietern wird noch immer von nationalen Strukturen und Regelungen erschwert. Das kann und darf nicht so bleiben.

Ob Telekommunikation, Straße oder Schiene – in Brüssel folgt man einem stets gleichen Gedanken: Die Transportwege für Dienstleistungen sollen allen kostengünstig offenstehen, der Wettbewerb muss über die Preise und die Inhalte erfolgen. Dieses Umdenken hat bei den Eisenbahngesellschaften ebenso viele Jahre gedauert wie bei den internet-Providern.

Konkurrenz belebt eben doch das Geschäft, wenn kreative Dienste verfügbar sind, weil die Nutzung der Transportwege kein Hindernis beispielsweise für neue Anbieter sind. Dann kann der Kunde entscheiden, wo und bei wem er welche Angebote abruft. Bis dahin ist allerdings noch viel zu tun. Das Geoblocking, also die Beschränkung von Streamingdiensten wie Film oder Musik auf bestimmte Regionen, muss fallen. Ein neues, modernes Urheberrecht für den digitalen Markt wird gesucht.

Das Aus der Roamingzuschläge ist ein wichtiger Beitrag dazu. Doch nun sollten weitere Durchbrüche folgen, um einen echten digitalen Binnenmarkt zu erreichen.

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