Abu-Sayyaf-Video Deutsche Geisel auf Philippinen ermordet

Manila · 2008 wurde ein deutsches Seglerpaar schon einmal entführt. Trotzdem gingen sie wieder das Risiko ein. Jetzt sind beide tot. Die Frau starb schon bei einem Überfall im November. Der Mann wurde nun brutal ermordet, im Dschungel einer philippinischen Insel.

Dass er nicht mehr lange am Leben sein wird, muss der Mann geahnt haben. Vielleicht hat er es Mitte Februar auch schon gewusst. Damals zwangen Islamisten der Terrorgruppe Abu Sayyaf („Träger des Schwerts“) den deutschen Segler im Dschungel der Philippinen-Insel Jolo, wo sie ihn schon seit mehr als drei Monaten gefangen hielten, vor die Kamera. Das Video stellten sie dann ins Internet.

Der 70-Jährige bat flehentlich darum, dass für ihn Lösegeld gezahlt werde. Andernfalls werde er „am 26., um drei Uhr nachmittags“ geköpft. Dann brach er in Tränen aus. Als er weiterreden konnte, meinte er nur noch: „Ich glaube nicht, dass ich eine Chance habe, hier lebend herauszukommen. Weil: Es tut sich nichts. Jeder gibt die Kugel dem anderen hin. Ich bin fertig. Ich habe nichts mehr zu sagen. Es kommt, wie es kommt.“

Die Angst des Mannes, seine Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit - all das stellten die Terroristen brutal zur Schau. Am Montag gab es dann, wie zu befürchten, das nächste Video aus dem Dschungel. Eine Minute und 43 Sekunden lang, noch brutaler. Zu sehen ist, wie einem Mann der Kopf abgeschnitten wird. Mehr sollte man darüber nicht berichten.

Die Bundesregierung konnte zunächst nicht einschätzen, ob das von der Terrorgruppe Abu Sayyaf veröffentlichte Enthauptungsvideo authentisch ist. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, sagte am Montag, „wegen der Kürze der Zeit“ könne noch nichts über die Authentizität gesagt werden. Die zuständigen Sicherheitsbehörden prüften das Video.

Wenn es stimmt, was die philippinische Regierung vermutet, dann müssen die Terroristen ihre Drohung nur eine halbe Stunde nach Ablauf des Ultimatums wahr gemacht haben. So hatte es Abu Sayyaf auch in früheren Fällen schon gehandhabt. Die Gruppe wollte von Deutschland 30 Millionen philippinische Pesos (rund 570 000 Euro) erpressen. Die philippinische Regierung selbst bezahlt in der Regel kein Lösegeld.

Der Segler war Anfang November in die Hand der Terroristen geraten, als er mit seiner 59-jährigen Lebensgefährtin in den Gewässern vor der Inselgruppe Tawi-Tawi unterwegs war. Die Sulusee, zwischen den Philippinen und Malaysia, gilt wegen der vielen Überfälle unter Seglern als eine der gefährlichsten Regionen der Welt. Das Auswärtige Amt rät seit langem „dringend“ davon ab, dort hinzufahren.

Das Paar ließ sich davon aber nicht abbringen. Die Frau überlebte den Überfall nicht. Sie wurde - vermutlich, als sie sich wehren wollte - von den Piraten erschossen. Ihre Leiche wurde auf der verlassenen Jacht, der „Rockall“, entdeckt. Der Skipper selbst wurde nach Jolo verschleppt, die Hochburg der Terroristen, die schon seit den 1960er Jahren für die Autonomie von der Zentralregierung in Manila kämpfen.

Der 70-Jährige und seine Lebensgefährtin waren schon seit vielen Jahren zusammen auf den Weltmeeren unterwegs. Welches Risiko sie eingingen, wussten sie. Im Juni 2008 wurden sie schon einmal entführt, damals vor der Küste Somalias. Die Piraten schleppten die „Rockall“ bis ins Landesinnere. Erst nach 52 Tagen kamen die beiden frei. Angeblich wurden 600 000 US-Dollar Lösegeld gezahlt. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nie.

Nach der Freilassung lebte das Paar ein paar Monate in Deutschland, bei der Mutter des Skippers in der Nähe von Stuttgart. Der gelernte Heizungsbauer fand dann aber heraus, dass er die „Rockall“ aus Somalia zurückholen könne. Trotz aller Warnungen der deutschen Behörden fuhr er nochmals dorthin, möbelte das 35 Jahre alte Schiff auf und fuhr wieder los.

Kurz zuvor gab der Skipper dem Seglermagazin „Yacht“ noch ein Interview. „Ich bete zu Gott, dass sie uns nicht noch einmal erwischen“, sagte er. Er wehrte sich aber auch gegen den Vorwurf, leichtsinnig zu handeln. „Was wir erlebt haben, werden wir mit absoluter Sicherheit niemals wieder erleben. Allen Ernstes: Lieber lassen wir uns umbringen. Ich würde kämpfen, egal wie, mit allem, was ich habe. Ich gehe definitiv nicht wieder in Gefangenschaft.“

Es kam dann doch anders. Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Videos bestätigte die philippinische Regierung am Abend, dass es sich bei dem Toten um den Deutschen handelt. Einer der Berater von Präsident Rodrigo Duterte, Jesus Dureza, sagte: „Wir haben alle unser Bestes gegeben. Aber ohne Erfolg.“ Nach Schätzungen hat Abu Sayyaf auf den Inseln aktuell noch etwa zwei Dutzend weitere Geiseln in ihrer Gewalt.

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