Geheimdienst-Ausschuss zur Russland-Affäre Der weite Weg zur Amtsenthebung von Donald Trump

Nach den Aussagen von Ex-FBI-Chef James Comey in der Sitzung im Geheimdienst-Ausschuss des Senats wird in Amerika wieder verstärkt über ein Impeachment gegen Präsident Trump geredet.

Wird Donald Trump über seine versuchte Einflussnahme auf Ermittlungen in der Russland-Affäre stürzen? Nach den am Donnerstag von Ex-FBI-Chef James Comey in fast sechsstündiger Sitzung im Geheimdienst-Ausschuss des Senats in Washington ausgebreiteten Details macht in Amerika wieder das I-Wort die Runde. I wie Impeachment. Amtsenthebung. Die Entfernung des Präsidenten aus Verantwortung und Oval Office.

Bis weit ins bürgerliche Spektrum dies und jenseits des Atlantiks reicht nach den Schilderungen Comeys der sehnliche Wunsch, Amerika möge sich der „historischen Verirrung namens Trump“ (ein Leser der New York Times) über ein in der Verfassung festgelegtes Verfahren entledigen. Allerdings ist es in der 240-jährigen Geschichte der USA bis heute noch nie vollends zur Wirkung gekommen. Richard Nixon kam im Watergate-Skandal 1974 dem drohenden Rauswurf durch Rücktritt zuvor. Bill Clinton (1998, Monica Lewinsky-Affäre) und Andrew Johnson (1868, Streit über den Wiederaufbau des Südens nach dem Bürgerkrieg) retteten sich, weil die entscheidende Spruchkammer in diesem spektakulären Kündigungsverfahren zwischen Amerika und seinem ersten Angestellten nicht die nötigen Stimmen aufbrachte.

Konkret: Das Repräsentantenhaus hatte in beiden Fällen zwar mit der notwendigen absoluten Mehrheit das Impeachment-Verfahren in Gang gesetzt. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im 100-köpfigen Senat, der hier wie ein Gericht wirkt, blieb dagegen nach monatelangen Ermittlungen aus. Ein Szenario, das in die heutige Zeit übertragbar ist.

In beiden Häusern des Kongresses haben die Trump wenn auch widerwillig tragenden Republikaner im vergangenen November ihre Mehrheiten teilweise beeindruckend gefestigt. Allein darum, so räumten hinter vorgehaltener Hand selbst Demokraten vor Kurzem im Gespräch mit dieser Zeitung ein, „wird es kurzfristig keine politische Todesstrafe für Donald Trump geben“. Zumal ein beständiger Teil der konservativen Wählerschaft (circa 20 Prozent) erkennbar bereit ist, mit Trump durch dick und dünn zu gehen.

Sie werden dabei unterstützt und angefeuert von einem in den vergangenen zehn Jahren immer breiter gewordenen Netz aus rechtspopulistischen Printmedien, Fernsehkanälen und Internet-Portalen, die täglich mit einer Mischung aus Demokraten-Verhauen und alternativen Fakten aufwarten. Was in den als liberal verhassten Leitmedien von New York Times bis Washington Post über „ihren“ Präsidenten geschrieben wird, steht bei eingefleischten Trump-Wählern hingegen permanent unter dem Verdacht der üblen Nachrede und Medien-Erfindung. Fake News.

Vergewaltigung der Demokratie

Trump abzusetzen würde in diesen Kreisen als Vergewaltigung der Demokratie begriffen. Und als Beleg dafür, dass der „tiefe Staat“ (deep state) mit allen Mitteln seine Pfründe verteidigt. Sollten die Republikaner Trump früh fallen lassen, riskieren sie eine konservative Protestbewegung. Selbst gewalttätige Unruhen sind nach Ansicht von langjährigen Politikbeobachtern in Washington dann nicht mehr auszuschließen.

Im schlimmsten Fall könnte sich Trump sogar von den Republikanern abwenden, als Märtyrer stilisieren und bei der nächsten Wahl 2020 als unabhängiger Kandidat ins Rennen gehen, der sich mit Hilfe des „vergessenen weißen Mannes“ die geraubte Präsidentschaft zurückholt.

Die Hoffnung auf ein Ende Trumps ruht daher zunächst auf 2018. Halbzeitwahlen im Kongress, die traditionellen „mid-terms“. Zeitpunkt, um die Kräfteverhältnisse neu zu justieren. Sollten die Demokraten hier den Kongress zurückerobern, wofür nicht sehr viel spricht, könnte ein Impeachment-Verfahren in Gang gesetzt werden. Dass es zu Trumps baldigem Abgang führen würde, ist jedoch unrealistisch.

Zunächst werden sich beide Parteien damit abfinden müssen, dass der vom Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller, Ex-FBI-Chef, in der Causa Russland seine Arbeit tut. Bis heute gibt es zwar jede Menge Indizien und Vermutungen über illegale, heimliche Absprachen zwischen Russland und Trumps Team vor der Wahl 2016. Aber keine gerichtsfesten Beweise. Bis Mueller, der gerade erst angefangen hat, seinen Abschlussbericht beieinander hat, können Jahre vergehen. Ob das Fazit dann eine unmittelbare und absichtsvolle Beteiligung Trumps an den unterstellten Machenschaften belegen wird, ist fraglich. Aber entscheidend.

Kein waschechter Politiker

Die Amtsenthebung ist an „Verrat, Bestechlichkeit und andere schwere Verbrechen und Vergehen“ geknüpft. Dazu gehört zweifelsohne auch der Tatbestand der Justiz-Behinderung („obstruction of justice“). Also genau das, was nun übergroß im Raum steht, seit Ex-FBI-Chef James Comey vor einem Millionen-Publikum an den Fernsehgeräten seine unangenehmen Erfahrungen mit Trump geschildert hat. Entscheidend ist aber auch hier die Lesart.

Für die Demokraten, bei denen Abgeordnete wie Maxine Waters und Al Green seit Wochen mit der Impeachment-Keule durchs Land ziehen, scheint erwiesen: Trump wollte den Gang der Dinge unzulässig beeinflussen, als er Comey mehrfach darum bat, die Ermittlungen gegen den damals gerade entlassenen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen. Dass der Präsident dem obersten Bundespolizisten noch dazu ein Loyalitätsbekenntnis abrang, ihn sogar um eine öffentliche Unbedenklichkeitsbescheinigung bat und Comey feuerte, als der nicht wie gewünscht lieferte, rundet für Leute wie Senator Mark Warner das „verstörende“ Bild ab.

Die Republikaner interpretieren die Ereignisse anders, sie erkennen kein „Fehlverhalten“. Trump habe eben nicht auf Beendigung der kompletten Russland-Ermittlungen gedrängt, sondern nur sanft nachgefragt, ob man Michael Flynn nicht in Ruhe lassen könne. Außerdem sei es doch menschlich nur verständlich, dass der Präsident die Erwartung äußerte, dass Comey öffentlich erklärt, was intern bereits mehrfach gefallen ist: „Gegen Donald Trump wird in der Causa Russland persönlich nicht ermittelt.“ Trump daraus einen Strick zu drehen, sei beckmesserisch, ja bösartig. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass der 45. Präsident Amerikas kein waschechter Politiker sei, der die Usancen von der Pike auf gelernt habe.

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