Die Air-Berlin-Pleite und die Folgen Wie die EU mit staatlichen Hilfen umgeht

Brüssel · Mit Garantien über 150 Millionen Euro will die Bundesregierung sicherstellen, dass Air Berlin noch bis November weiterfliegen kann.

Vor allem soll so garantiert sein, dass Urlauber wieder heimreisen können und bereits gebuchte andere Flüge nicht ausfallen. Oder gibt es noch andere Gründe? Air-Berlin-Konkurrent Ryanair hat nach der Pleite sofort die EU-Kommission angerufen und will die Unterstützung verbieten lassen. Kann das gelingen?

Konkurrent Ryanair nennt dies eine unerlaubte staatliche Beilhilfe. Was ist das eigentlich?

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union schränkt staatliche Beihilfen stark ein, wenn der freie Wettbewerb dadurch nicht mehr gewährleistet ist. Allerdings lässt das Dokument auch Ausnahmen zu. Wenn eine Förderung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, kann die Kommission der Zahlung zustimmen. Denkbar erscheint das beispielsweise bei Maßnahmen zur Unterstützung einer Region, in der Energie- und Umweltpolitik oder bei Forschung, Entwicklung und Innovation. Übersteigt eine Beihilfe die Grenze von 150 Millionen Euro, ist eine Anmeldung (Notifizierung) bei der Brüsseler Kommission nötig.

War die Garantie für Air Berlin mit Brüssel abgesprochen?

Eine Sprecherin der EU-Verwaltung bestätigte am Mittwoch, dass ihre Behörde informiert wurde. Insofern hat die Bundesregierung offenbar den korrekten Weg eingehalten.

Dennoch reichte die Konkurrenz Klage ein. Was passiert nun?

„Beschwerden von Wettbewerbern haben keine aufschiebende Wirkung“, betonte die Kommissionssprecherin gestern. Das heißt: Wenn die Kommission von der Beihilfe informiert wurde, stehen die Finanzen zur Verfügung. Allerdings wird die Zahlung noch genau unter die Lupe genommen, bevor ein endgültiger Bescheid erteilt wird. Das könne bis zu zwei Monate dauern, erklärte die EU-Behörde am Mittwoch.

Die Konkurrenz begründet ihre Klage damit, dass durch die staatliche Garantie eine Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa erleichtert werden solle. Ist das kein Thema für die EU-Kommission?

Doch. Man prüfe nicht nur die Bitte um Genehmigung einer staatlichen Beilhilfe, sondern auch das gesamte Umfeld, hieß es in Brüssel. Allerdings kann die Behörde nur untersuchen, was ihr vorliegt. Bisher ist das lediglich die Klage der Air Berlin- und Lufthansa-Konkurrenz. Ein Antrag auf Zustimmung zu einer Übernahme liegt derzeit nicht vor.

Hat die Kommission schon einmal in die Sanierung einer Airline eingegriffen?

Ja, es gibt zwei eklatante Fälle. 2015 forderte die EU-Verwaltung die Regierung von Estland auf, einen bereits gewährten Kredit über 80 Millionen Euro von der wackelnden Fluggesellschaft Estonian Air zurückzuholen und ein weiteres Darlehen über 40 Millionen zu stoppen. Auch bei der geplanten Sanierung der Cyprus Air bestand Brüssel darauf, die notwendigen 100 Millionen Euro nicht aus der Staatskasse zu zahlen. Andererseits hat die EU bei der Sanierung der italienischen Airline Alitalia staatliche Hilfen gebilligt.

Wie groß sind die Chancen, dass die Air-Berlin-Hilfe erlaubt wird?

Experten gehen davon aus, dass es keine größeren Schwierigkeiten gibt. Zum einen wurde die Beilhilfe ordnungsgemäß angemeldet. Zum anderen wäre der Schaden für die Urlauber und andere Fluggäste, die ihre Reisen längst gebucht haben, unübersehbar gewesen. Zum Dritten ist die Garantie der Bundesregierung zeitlich befristet, verändert den Wettbewerb also nicht dauerhaft. Und außerdem entspricht die Höhe der gewährten Unterstützung einer kurzfristigen Überbrückung, um das Fluggeschäft nicht sofort zusammenbrechen zu lassen. Das sind alles Kriterien, die die Kommission anlegen wird.

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