Streit in der SPD Steinbrück spricht von Erich Schulz-Honecker

BERLIN · In bitterbösem Ton rechnet der Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit den Fehlern seiner SPD ab. Den Parteichef spart er nicht aus.

 Zwei Kanzlerkandidaten: Peer Steinbrück und Martin Schulz im Herbst 2012 bei einer Sitzung des SPD-Vorstandes in Berlin. FOTO: DPA

Zwei Kanzlerkandidaten: Peer Steinbrück und Martin Schulz im Herbst 2012 bei einer Sitzung des SPD-Vorstandes in Berlin. FOTO: DPA

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Was die Sozialdemokraten nach den krachenden Niederlagen bei den jüngsten Landtagswahlen gut gebrauchen können, sind Geschlossenheit, kämpferisches Auftreten und eine öffentliche Diskussion über ihre Inhalte. Was sie jetzt keinesfalls gebrauchen können, ist Streit in den eigenen Reihen.

Den hat jedoch ausgerechnet Wahlverlierer Peer Steinbrück angezettelt. In einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte Steinbrück, das 100-Prozent-Ergebnis beim Bundesparteitag für Schulz als neuer Parteichef sei vergiftet gewesen. „Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsverlust eingestellt und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?“, sagte der Ex-Finanzminister, den die Genossen einst mit 93,4 Prozent als Spitzenkandidaten ins Rennen gegen Angela Merkel schickten.

Außerdem sei die Kampagne von Schulz zu stark auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet, kritisierte Steinbrück, der 2013 nach einem vermurksten Wahlkampf haushoch gegen Merkel verlor – die SPD erreichte 25,7, die Union kam auf 41,5 Prozent. „Ich gebe aber allen recht, die sagen: Die Konzentration auf die Gerechtigkeit reicht nicht, es muss etwas dazukommen, das Fortschritt, Zukunftsoptionen verdeutlicht“, sagte er der „FAS“.

Und als ob das nicht für genug Unmut im Willy-Brandt-Haus reichen würde, attackierte Steinbrück die eigene Partei auch noch in der „Bild am Sonntag“. Dort riet er den Genossen, nach der Wahl keine Koalition mit Linken und Grünen einzugehen. Besser wäre eine Annäherung an die FDP, zudem sollte die SPD lockerer werden, befand Steinbrück. Die Genossen seien „häufig zu verbiestert, wahnsinnig überzeugt von der eigenen Mission“, sagte er der FAS. Und: „Der Begriff der Heulsusen trifft gelegentlich den Gemütszustand der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus“, so Steinbrück.

Der in Bonn lebende frühere NRW-Ministerpräsident, mit dem viele in der SPD nie richtig warm wurden, zog sich nach der Niederlage aus der Parteiarbeit zurück, verließ 2016 den Bundestag, wacht heute über die Helmut-Schmidt-Stiftung und berät als Lobbyist den Vorstand einer Bank. Ab Juli geht Steinbrück mit dem Kabarettisten Florian Schroeder auf Tour. Die beiden Interviews in den Sonntagszeitungen dienten nun der Werbung.

Führende Genossen toben inzwischen vor Zorn. Parteivize Ralf Stegner etwa twitterte: „Andere, selbst an ihrer Hybris gescheitert, geben via Kommentaren der Partei, der sie (noch) angehören, unerbetenen schlechten Rat. Kurios.“ Schulz betonte unterdessen bei einer Rede im Willy-Brandt-Haus, weiter auf das Thema Gerechtigkeit setzen zu wollen. In aktuellen Umfragen jedoch setzt die SPD ihre Talfahrt fort: Nach dem Emnid-Sonntagstrend der „Bild am Sonntag“ verliert die SPD einen weiteren Punkt und liegt jetzt bei 25 Prozent. Die Union bleibt unverändert bei 38 Prozent. Die FDP erreicht jetzt acht Prozent, ebenso Grüne, Linke und AfD. In der Direktwahlfrage liegt Martin Schulz weiterhin abgeschlagen zurück. 29 Prozent würden sich für Schulz entscheiden, wenn der Bundeskanzler direkt gewählt werden könnte. 52 Prozent würden für Angela Merkel stimmen.

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