Internetsteuer Sorgenkind Ungarn

BERLIN · Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat gegenüber dem General-Anzeiger Sorgen über die innenpolitische Entwicklung in Ungarn formuliert.

"Natürlich haben wir Sorgen, und die spreche ich in meinen Kontakten mit Vertretern der ungarischen Regierung offen an", sagt der Minister. Europa sei mehr als ein Binnenmarkt. "Wir sind auch eine Wertegemeinschaft", sagt Steinmeier weiter. "Eine aktive Zivilgesellschaft, Medienfreiheit, Respekt für Minderheitenrechte sind der Maßstab, an dem wir uns nach außen und innen messen lassen müssen."

Hintergrund der Steinmeier-Äußerungen sind Pläne der ungarischen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban, eine Internetsteuer zu erheben, was von vielen Oppositionellen in Ungarn als ein weiterer Versuch gesehen wird, die Kontrolle über kritische Medien auszuweiten.

"Wir erinnern dieses Jahr gemeinsam an die Umwälzungen vor 25 Jahren, als gerade Ungarn für viele Deutsche ein Tor zur Freiheit wurde. Vor diesem Hintergrund beobachten wir natürlich die Entwicklungen der letzten Jahre unter der Regierung von Viktor Orban sehr aufmerksam, auch die aktuellen Proteste", sagt Steinmeier. Die EU- Kommission prüfe Gesetzesvorhaben, die Fragen aufwerfen, ob sie in Einklang stehen mit gemeinsamen Binnenmarktregeln. Das sei auch mit Blick auf deutsche Unternehmen sehr wichtig, die seit langem ein wichtiger Investitionspartner in Ungarn sind.

Die Orban-Regierung will ab 1. Januar 2015 eine Steuer auf die Nutzung des Internets erheben. Jeder Kunde soll nach den ursprünglichen Plänen pro angefangenem Gigabyte umgerechnet 50 Cent zahlen. Auch die EU hatte gegen die Pläne protestiert.

Auch in der EU gibt es eine Debatte um eine Art Internet-Abgabe. Allerdings unter vollkommen anderen Vorzeichen. EU-Kommissar Günther Oettinger hatte jüngst seine Absicht unterstrichen, das europäische Urheberrecht zu harmonisieren. Er will die Online-Nutzung geistigen Eigentums mit einer Abgabe belegen. Der Vorstoß zielt vor allem auf US-Konzerne wie Google. Bis Ende 2016 will Oettinger einen Gesetzentwurf vorlegen.

Die Absicht hat in Deutschland bislang eher für Verwirrung gesorgt. Am Dienstag will Oettinger den Unterausschuss des Bundestages besuchen und die Parlamentarier über seine Pläne aufklären. Noch schlägt ihm Skepsis entgegen. Das Ziel, das Urheberrecht zu harmonisieren, sei richtig, sagt Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Oettinger müsse aber darlegen mit welchen Instrumenten das gelingen kann. "Zusätzliche Steuern halte ich dabei nicht für den besten Weg", sagt Klingbeil und formuliert eine Position, die auch in Unionskreisen begegnet.

Oettingers Argument: Wenn Google intellektuelle Werte aus der EU beziehe und damit arbeite, dann könne die EU ebendiese Werte schützen und von Google eine Abgabe dafür verlangen. Was so einfach klingt, ist eine Kampfansage. Der Ausgang ist offen und könnte für die Nutzer unangenehm werden. Wenn die US-Konzerne zahlen, könnten sie womöglich die Kosten einfach an die Endverbraucher weiterreichen. Wenn aber etwa Google nicht zahlte, könnten europäische Inhalte aus den Suchmaschinen verschwinden. Auch nicht gerade der erwünschte Effekt. Oettinger hat also am Dienstag viel zu erklären.

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