Sabotage im Netz Sorge vor Cyberattacken bei der Bundestagswahl

Bonn · Russische Hacker haben möglicherweise die US-Wahl manipuliert, deutsche Politiker fürchten deshalb Angriffe im kommenden Jahr.

Berichte über eine mögliche Beeinflussung der US-Wahl durch russische Hacker und der Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast machen deutsche Politiker nervös. Denn in rund neun Monaten steht die Bundestagswahl an. Die Sorge geht um, dass Hacker versuchen könnten, sie zu manipulieren.

Teilen die Sicherheitsbehörden die Befürchtungen der Politiker?

Ja. Das Internet ist Schauplatz von Spionage, Sabotage, Manipulation und gezielter Desinformation. Das gilt insbesondere für soziale Medien wie Facebook und Twitter. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wies zuletzt auf einen „eklatanten Anstieg“ sogenannter Spear-Phishing-Attacken gegen Parteien und Bundestagsfraktionen hin. Präsident Hans-Georg Maaßen warnte: „Die Hinweise auf Versuche einer Beeinflussung der Bundestagswahl im kommenden Jahr verdichten sich.“

Worum geht es den Angreifern?

Vor allem geht es darum, Unsicherheit zu schüren sowie das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Institutionen zu beschädigen. Ein Beispiel dafür war der Fall Lisa in Berlin. Die 13-jährige Russlanddeutsche war Anfang 2016 etwa einen Tag vermisst worden. Im Internet kursierte das Gerücht, sie sei von einer Gruppe südländisch aussehender Männer entführt und vergewaltigt worden. Die Behörden hatten dafür keine Anhaltspunkte. Der Fall wurde in Berlin eingestuft als Teil einer „hybriden Kriegsführung“ Russlands – mit Fehlinformationen Unruhe in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wovor müssen Politiker sich fürchten?

Maaßen sagte, aus Cyberattacken erbeutete Informationen könnten im Wahlkampf auftauchen, um Politiker zu diskreditieren. Die USA gelten als Beispiel dafür: Am Wochenende berichteten Medien über die Einschätzung des US-Geheimdienstes CIA, russische Hacker hätten Computer der Demokraten angegriffen, um dem Republikaner Donald Trump zum Sieg bei der Präsidentenwahl zu verhelfen.

Warum steht Russland im Fokus solcher Anschuldigungen?

Der Verfassungsschutz hat seit Beginn der Ukraine-Krise einen erheblichen Anstieg russischer Propaganda- und Desinformationskampagnen in Deutschland registriert. Moskau bestreitet solche Aktionen.

Gibt Hinweise auf Cyberangriffe aus Russland?

Russland äußert sich nicht dazu. Ein Strategiepapier von Generalstabschef Waleri Gerassimow sieht aber vor, in den Kriegen der Zukunft Informationspolitik als Waffe zu verwenden. Bekannt sind die sogenannten Trollfabriken in St. Petersburg. Deren Mitarbeiter überschwemmten nach dem russischen Vorgehen auf der Krim und in der Ostukraine 2014 soziale Netzwerke wie Facebook mit Kommentaren. Sie sollten das Vertrauen in die Berichterstattung westlicher Medien untergraben und die russische Sichtweise durchsetzen.

Warum lassen sich Urheber solcher Cyberattacken so schwer ermitteln?

Wenn es um Hackerangriffe geht, ist die Ermittlung der Täter in der Regel schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Das betonten zuletzt auch Experten anlässlich der Attacke auf ThyssenKrupp. Firmeneigene Ermittler folgten Spuren nach China oder einem anderen südostasiatischen Land. Indiz dafür waren etwa die Angriffszeiten, die sich mit der dortigen Zeitzone deckten. Ein Beweis ist das aber nicht, es könnte auch eine absichtlich falsch gelegte Fährte sein.

Auch wenn die Standorte der Hauptserver ermittelt werden können, heißt das nicht, dass die Angriffe auch tatsächlich von dort ihren Ausgang nahmen. Auch sprachliche Fragmente in den Codezeilen, die auf eine Nationalität schließen lassen, können absichtlich eingefügt sein, um die eigene Spur zu verwischen. Ob eine Attacke mit staatlicher Hilfe begangen wird, führen Ermittler meist auf deren Art zurück. Werden teure und aufwendige Techniken verwendet, gilt dies meist als Beleg dafür, dass nicht allein Kriminelle dahinter stecken.

Wie verhält es sich bei Falschmeldungen in sozialen Medien?

Solange sich die Urheber etwa an die Facebook-Regeln halten, sich mit Klarnamen anzumelden, ist es vergleichsweise einfach, auf deren Spur zu kommen. Aber auch bei Fantasienamen lassen sich die Urheber oft über ihre IP-Adresse ermitteln. Die Verbreitung von Hassbeiträgen über das soziale Netzwerk etwa hat schon zu Festnahmen geführt.

Im Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast wurde ein erfundenes Zitat, das vorgeblich aus der „Süddeutschen Zeitung“ stammte, auf mehreren Seiten verbreitet. Künast geht dem „Spiegel“ zufolge per Strafanzeige gegen die Betreiber einer rechtsnationalistischen Seite sowie gegen Unbekannt vor. Zudem wurde der Eintrag inzwischen entfernt.

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