Viele wollen nicht zurück in die ihre Heimat So laufen Abschiebungen am Flughafen Düsseldorf

Düsseldorf · In Nordrhein-Westfalen werden die meisten Abschiebungen über den Flughafen Düsseldorf durchgeführt. Die meisten Passagiere der Flüge bleiben ruhig, andere wehren sich – und ein Arzt ist immer an Bord.

 Abgeschirmt vom regulären Flugbetrieb: Ein Charterflieger mit ausreisepflichtigen Migranten.

Abgeschirmt vom regulären Flugbetrieb: Ein Charterflieger mit ausreisepflichtigen Migranten.

Foto: picture alliance / Daniel Maurer

Im Minutentakt fahren am Flughafen Düsseldorf Busse vor. Sie kommen aus ganz NRW. Und an diesem Morgen sogar aus Hamburg und Niedersachsen. Sie halten hinter einem schwer bewachten Tor am Modul F des Flughafens, auch Notfall-Gate oder Sonder-Gate genannt, abseits der großen Terminals. Es sind zum Großteil junge Familien, die aussteigen, die meisten sehr kinderreich. Bundespolizisten nehmen sie in Empfang, helfen ihnen mit dem Gepäck.

Es sind Männer, Frauen und Kinder mit serbischer oder mazedonischer Staatsangehörigkeit, für die in Deutschland kein Platz mehr zu sein scheint, obwohl manche schon seit den Balkankriegen der 90er Jahre hier sein sollen. Sie werden abgeschoben. Für manche in ein Land, das für sie fremd ist. Denn ihre Heimat ist für viele von ihnen längst Deutschland.

Täglich werden am Düsseldorfer Flughafen Menschen in Flugzeuge gesetzt, die keine Aufenthaltserlaubnis mehr für Deutschland besitzen und abgeschoben werden. Meistens handelt es sich um sogenannte Einzelmaßnahmen, bei denen einzelne Ausreisepflichtige in Begleitung weniger Bundespolizisten in Linienflügen in ihre Heimat zurückgebracht werden. Hinzu kommen Sammelabschiebungen, die unregelmäßig ein- bis zweimal die Woche stattfinden und derzeit meist nach Belgrad (Serbien), Pristina (Kosovo), Tirana (Albanien) oder Skopje (Mazedonien) gehen. Sie fliegen getrennt von normalen Fluggästen in Chartermaschinen.

Es ist ein kleiner Flughafen im Flughafen, zu dem die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Im Sondergate ist alles genauso angeordnet wie an normalen Terminals, nur kleiner. Es gibt einen „Check-In“-Schalter, an dem der Personenabgleich erfolgt und die Dokumente geprüft werden. Es gibt die Personen- und Gepäckkontrolle. Und es gibt einen Wartebereich mit Sitzplätzen.

Ein Arzt, der auch mitfliegt, bestätigt den Rückzuführenden das sogenannte „fit for fly“. „Wenn jemand ein Medikament benötigt oder erkrankt ist, schaut er nach, ob die Reisetauglichkeit gegeben ist. Wir wollen kein Risiko eingehen und einen medizinischen Notfall an Bord vermeiden“, sagt Polizeihauptkommissar Norbert Hillenbrand, der seit 19 Jahren bei Rückführungen dabei ist. Die Beamten melden sich freiwillig für diesen Dienst.

Charterflüge nach Mazedonien und Serbien verlaufen in der Regel ohne größere Störungen. „Man muss schon sagen: Bei Balkanstaaten sind es viele Familien, da ist es ruhiger, entspannter“, sagt Anne Kister, Sprecherin der Bundespolizei am Düsseldorfer Flughafen. Die vielen kleinen Kinder wüssten meist nicht, was vor sich gehe. „Sie werden von uns mit kleinen Kuscheltieren aufgemuntert und abgelenkt, damit sie möglichst nichts mitbekommen“, sagt sie.

Wesentlich unangenehmer seien Charter nach Afrika, weil dorthin überwiegend allein reisende junge Männer abgeschoben werden. „Das ist für Kollegen viel anstrengender, weil 95 Prozent von denen gar nicht in ihr Heimatland zurückwollen. Die haben den weiten Weg nach Europa gemacht und müssen jetzt wieder zurück. Sie wehren sich mit Händen und Füßen“, sagt Kister. Es gebe schon Nationalitäten, die sich aggressiver verhielten. Georgier, Armenier oder Afrikaner zum Beispiel. „Es gibt halt Typen, die sind einfach ein bisschen impulsiver, weniger geduldig“, sagt die Bundespolizistin. Aber dafür habe sie Verständnis, schließlich könne sie die Beweggründe nachvollziehen. „Aber es ist nun mal unsere Aufgabe, sie in den Flieger zu setzen und nach Hause zu bringen“, sagt Kister.

Koordiniert werden die Abschiebeflüge bei der Bundespolizei in Potsdam. Dort wird festgelegt, wer, wann über welchen Flughafen in Deutschland abgeschoben wird. Sobald die Ziele feststehen, erfolgen europaweite Ausschreibungen, auf die sich die Airlines bewerben können. Ein lukratives Geschäft für die Gesellschaften, sagt Hillebrand.

Die Bundespolizei, darauf legt sie großen Wert, sei bei den Abschiebungen nur das durchführende Organ. „Wir haben nichts mit dem Entscheid zu tun. Das ist alles schon vorher gelaufen“, sagt Kister. Zunächst entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), ob ein Migrant in seinem Heimatland verfolgt wird oder nicht und erteilt dementsprechend einen Aufenthaltstitel oder eben keinen. Was dann mit dem abgelehnten Ausländer geschieht, ist Sache der Länder beziehungsweise der Städte und Kreise. Damit fällt die Verantwortung in die Zuständigkeit Ausländerämter.

Die Mitarbeiter dieser Behörden kommen meist in den frühen Morgenstunden, wenn die meisten Menschen, die abgeschoben werden sollen, noch schlafen. Man möchte kein Aufsehen erregen. Die Menschen hinter den Türen, an denen die Beamten schellen, wissen manchmal nicht, dass sie an diesem Tag in ihre Heimat zurückkehren. Viel Zeit bleibt den meisten nicht, um zu packen. In Düsseldorf erwartet die Bundespolizei an diesem Tag rund 130 Personen, am Ende werden es aber nur 45 Mazedonier und 53 Serben sein. „Man weiß nie genau, wie viele der Personen wirklich kommen. Im Durchschnitt sind es nur rund 50 Prozent“, sagt Kister. Die anderen seien wohl nicht da gewesen, als man sie abholen wollte. „Wir versuchen alles so menschenwürdig wie möglich zu gestalten“, sagt Hillenbrand. „Wir haben hier nichts zu verstecken, auch wenn man uns das immer wieder vorwirft.“ Die Maschine nach Mazedonien und Serbien hebt planmäßig ab. Morgen folgt der nächste Charter Richtung Balkan.

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