Parteitag der Demokraten Obamas Leistungsbilanz

CHARLOTTE/NORTH CAROLINA · Für viele Deutsche mutet er noch immer wie der sichere Sieger an. Dabei ist eine zweite Amtszeit Barack Obamas akut gefährdet. Beim Parteitag der Demokraten wird der Präsident ins rechte Licht gerückt. Was hat hat er wirklich erreicht?

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Barack und Michelle Obama beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Denver 2008.

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Barack und Michelle Obama beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Denver 2008.

Foto: dpa

Viele Wähler in Amerika sind über die Arbeit des Hoffnungsträgers von 2008 enttäuscht. Der republikanische Widersacher Mitt Romney liegt in vielen Umfragen gleichauf.

Auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte/North Carolina wird der amerikanische Präsident bis Donnerstag seine Leistungsbilanz in ein günstiges Licht rücken und daraus die Berechtigung für eine Verlängerung seines Vertrages mit dem amerikanischen Volk ableiten. Was hat er geschafft bislang, was nicht?

  • Positiv: Dass Obama von Vorgänger George W. Bush die schwerwiegendste Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren geerbt hat, die das Bruttoinlandsprodukt absacken, die Arbeitslosenzahlen sowie das Haushaltsdefizit nach oben schießen ließ, wissen viele Amerikaner. Sie würdigen, dass der Präsident mit dem größten Konjunkturpaket der US-Geschichte (900 Milliarden Dollar), einem Bankensanierungsprogramm und der Unterstützung der andernfalls vom Bankrott bedrohten Autoindustrie interveniert hat.
  • Negativ: Dass die Arbeitslosenzahlen seit Amtsantritt konstant über der 8-Prozent-Hürde liegen (zurzeit 8,3 %), dass 23 Millionen Amerikaner nicht oder unterbeschäftigt sind, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen sich auf hohem Sockel verfestigt bei gleichzeitiger Erhöhung des Staatsschuldenstandes um 5000 Milliarden Dollar - das wollen die meisten Amerikaner genauso wenig länger hinnehmen wie substanzielle Einkommenseinbußen.
  • Positiv: Mit der Reform des Gesundheitssystems ist Obama ein historisches Projekt gelungen, an dem sämtliche Vorgänger gescheitert waren: ein Krankenversicherungssystem, das über 30 Millionen Amerikaner vor dem freien Fall bewahrt.
  • Negativ: Weil "Obamacare", für das Romney während seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts Pate stand, kompliziert ist, zur Zeit noch mehr kostet, als es auf lange Sicht einsparen kann, und einen Eingriff in die Autonomie der Bundesstaaten bedeutet, ist das Projekt zum Hauptangriffsziel der Republikaner geworden. Obamacare = Sozialismus; bis heute hat der Präsident es nicht geschafft, diese verzerrte Gleichung aus der Welt zu argumentieren.
  • Positiv: Außenpolitisch fallen Obama die Liquidierung von Terror-Chef Osama bin Laden, der Abzug der US-Truppen aus dem Irak sowie der noch anstehende Abzug aus Afghanistan auf die Butterseite. Dass der Präsident US-Truppen aus der Entmachtung Gaddafis in Libyen herausgehalten hat und dies auch bisher im Fall Syrien/Assad nicht anders hält, wird ebenfalls mehrheitlich als positiv bewertet.
  • Negativ: Liberale Wählerschichten monieren, dass Obama in Syrien schlimmen Menschenrechtsverletzungen zusieht und das Terrorgefangenenlager Guantanamo nicht geschlossen hat.
  • Positiv: Bei den Beliebtheitswerten - vor allem bei Frauen sowie Angehörigen gesellschaftlicher Minderheiten von Afro-Amerikanern bis Latinos - liegt Obama weit vor Romney. Der Präsident wird zudem von einem großen Teil der Bevölkerung unverändert als sympathischer Familienmensch wahrgenommen.
  • Negativ: Verbesserungen beim Aufenthaltsrecht von lange in den USA lebenden Einwanderer-Kindern, Befürwortung gleichgeschlechtlicher Ehen, Beendigung der Diskriminierung von Homosexuellen in der Armee, moderate Haltung in der Abtreibungsfrage - Obamas Gesellschaftspolitik hat den Protest auf der republikanischen Gegenseite vor allem bei Evangelikalen und radikalen Lebensschützern wachsen lassen.
  • Positiv: Obama wollte nach dem Wahlsieg 2008 die breiten politischen Gräben in Amerika schließen und das zerstrittene Land einen.
  • Negativ: Die politische Streit-Kultur in Washington zu verändern, ist Obama nicht gelungen. Im Wahlkampf bedient er sich - wie die Republikaner - des Instruments der Stigmatisierung und Verunglimpfung.
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