Kommentar zum Gipfeltreffen der EU Lachnummer Europa

Meinung | Brüssel · In Brüssel bietet sich das Bild einer verzagten, ja sogar handlungsunfähigen Union, die im Zweifel selbst vor einem Aggressor kuscht und ihre so oft beschworenen Werte zurückstellt.

 Gipfeltreffen der Verzagten: In Brüssel kam es zu keiner Entscheidung.

Gipfeltreffen der Verzagten: In Brüssel kam es zu keiner Entscheidung.

Foto: picture alliance / dpa

Für ein paar Stunden sah es so aus, als habe die EU ihre Stärke und Geschlossenheit wiedergefunden. Doch die Angst, Russland zu verärgern, ließ die 28 Staats- und Regierungschefs einknicken. Kein mutiges Signal Richtung Moskau, seine unmenschlichen Angriffe auf Aleppo einzustellen.

Wie unfassbar der Zickzackkurs der EU-Chefs ist, zeigen die nächtlichen Worte der Kanzlerin: Falls die Angriffe in Syrien gegen die Zivilbevölkerung in der bisherigen Intensität fortgesetzt würden, „dann ist das schon ein Grund, sich zu überlegen, was tun wir jetzt.“ In Aleppo sterben jeden Tag Hunderte unter Fassbomben und im Geschützfeuer. Und die EU will wirklich erst noch ein bisschen zusehen und erst dann „überlegen“?

Es ist das Bild einer verzagten, ja sogar handlungsunfähigen Union, die im Zweifel selbst vor einem Aggressor kuscht und ihre so oft beschworenen Werte zurückstellt. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Unfähigkeit, den Ceta-Streit zu lösen. Es ist keine Frage, dass es der Respekt vor der föderalen Verfasstheit eines Mitgliedsstaates gebietet, auch das Votum eines in dieser Frage mitentscheidenden Regionalparlamentes zu akzeptieren. Aber dieser Protest war nicht überraschend, sondern zeichnete sich schon seit Monaten ab. Allerdings kümmerte sich niemand ernsthaft um die Bedenken der wallonischen Volksvertreter – dafür steht nun die gesamte Union blamiert da. Und man muss sich nicht wundern, dass die Kanadier die Nase voll haben von dieser 28-er Gemeinschaft.

Das wird sich auch nicht ändern. Die zum Ausstieg entschlossene britische Premierministerin Theresa May hat unmissverständlich angekündigt, Beschlüsse aus dem Kreis der 27 zu torpedieren. In Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wird 2017 neu gewählt. Die Zukunft des italienischen Regierungschefs ist ebenso offen wie die des spanischen Ministerpräsidenten. Führungswechsel ziehen lange Eingewöhnungsphasen nach sich. Dass sich die EU ausgerechnet in solchen Wechseljahren regeneriert, erscheint schwer vorstellbar. Mit anderen Worten: Das Bild einer schwerfälligen, wenig schlagkräftigen und dann auch noch widersprüchlich agierenden Union dürfte sich verstärken.

Wie so ein Bund Putin beeindrucken soll, ist nicht zu erkennen. In diese Zeit fällt dann noch der Beginn der Brexit-Verhandlungen, bei denen man sich gegen eine vor Selbstsicherheit strotzende britische Premierministerin durchsetzen und seine Grundfreiheiten verteidigen muss. Genau genommen präsentierte sich die Gemeinschaft in Brüssel nicht nur in schlechter, sondern miserabler Verfassung: zerrissen, gespalten, uneinheitlich. Europas Dilemma besteht darin, dass es trotz aller Vergemeinschaftung am Ende eben doch nationale Leitwölfe braucht, hinter denen man sich sammeln kann.

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