Protestzug Katalanen demonstrieren für die Unabhängigkeit

BARCELONA · Ein gelb-rotes Meer so weit der Blick reicht. Zigtausende Menschen in gelben und roten T-Shirts füllen die beiden Hauptverkehrsachsen der katalanischen Hauptstadt Barcelona.

Sogar im Schottenrock sind einige gekommen - um keinen Zweifel daran zu lassen, dass Katalonien das nach Unabhängigkeit strebende Schottland als Vorbild sieht. Genau um 17 Uhr und 14 Minuten schließen die Demonstranten die Reihen, formieren sich zu den fünf gelben und vier roten Streifen der katalanischen Flagge.

Der Ruf "Unabhängigkeit" schwappt wie eine Welle durch die Menge und lässt den elf Kilometer langen und V-förmigen Protestzug erbeben, der sich unter dem Motto "Jetzt ist die Stunde gekommen" durch die Stadt zieht. Das "V" symbolisiert Botschaft und Forderung zugleich und steht für "victoria" (Sieg) und für "votar" (abstimmen).

Die Uhrzeit 17.14 erinnert an jenes geschichtsträchtige Jahr, an dem die katalanischen Truppen ihre Schlacht gegen die königlichen spanischen Soldaten verloren. Mit dieser Niederlage 1714 verlor Katalonien seine Selbstverwaltung und wurde in das spanische Königreich eingegliedert.

Deswegen wird am 11. September, dem Tag der Kapitulation, der katalanische "Nationalfeiertag" begangen. Ein Feiertag, der in den letzten Jahren zum Protesttag der wachsenden Unabhängigkeitsbewegung wurde: Hunderttausende, nach Schätzung der Veranstalter vielleicht sogar mehr als eine Million Menschen, demonstrierten gestern Nachmittag und Abend für die Abspaltung Kataloniens von Spanien.

Und für das Recht, eine für den 9. November geplante Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten zu dürfen. Es war einer der größten Protestmärsche, die Katalonien bisher gesehen hat. Doch ob das geplante Referendum tatsächlich stattfinden wird, ist völlig offen.

Das spanische Parlament in Madrid hatte im Frühjahr den Antrag Kataloniens, das Volk zur regionalen Zukunft zu befragen, mit großer Mehrheit abgelehnt. Und ohne Zustimmung des Kongresses ist ein Referendum verfassungswidrig.

In der rebellischen Region ruft derweil die Unabhängigkeitsplattform "Assemblea Nacional Catalana" (Katalanische Nationalversammlung), die auch den jüngsten Protesttag organisierte, zum zivilen Ungehorsam auf. "Am 9. November werden wir abstimmen. Und am 9. November werden wir gewinnen", steht auf einem riesigen Transparent.

An diesem Tag will die katalanische Regionalregierung den 7,5 Millionen Bürgern dieses eigenwilligen Territoriums folgende Fragen zur Abstimmung vorlegen: "Wollen Sie, dass sich Katalonien in einen Staat verwandelt?" Und wenn ja: "Wollen Sie, das dieser Staat unabhängig ist?"

Im Gegensatz zu Schottland, wo am 18. September definitiv über die Abspaltung von Großbritannien abgestimmt wird, soll das katalanische Referendum aber noch nicht den Bruch herbeiführen. Es gehe lediglich darum, den künftigen politischen Kurs festzuklopfen, versichert der katalanische Ministerpräsident Arturo Mas.

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