Ukraine-Krise Indizien für Invasion in Ukraine mehren sich

MOSKAU · Die russische Armee ist in der Ostukraine einmarschiert. Das erklärte Sorjan Schkirjak, Ratgeber des ukrainischen Innenministeriums. "Wir müssen eine groß angelegte militärische Invasion der Streitkräfte Russlands in das Gebiet der Ukraine konstatieren." Präsident Petro Poroschenko brach gestern eine Türkeireise ab und berief eine Sitzung des Sicherheitsrates ein.

 Ein Junge kocht im ukrainischen Avdeeka sein Essen auf dem Feuer, nachdem in der Stadt wegen der Kämpfe gegen Rebellen der Strom ausgefallen ist.

Ein Junge kocht im ukrainischen Avdeeka sein Essen auf dem Feuer, nachdem in der Stadt wegen der Kämpfe gegen Rebellen der Strom ausgefallen ist.

Foto: dpa

Nach ukrainischen Berichten eroberten die russischen Streitkräfte mehrere Ortschaften in den Donezker Landkreisen Starobeschewsk und Ambrosiewsk, außerdem nahmen russische Panzer die Stadt Nowoasowsk an der Küste des Asowschen Meers ein, 15 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Nach Angaben des ukrainischen Sicherheitsrates bombardierten vorher Grad-Raketenwerfer von Russland aus Nowoasowsk.

"Wir sitzen in einem Keller und zählen die Salven", notierte der russische Fotograf Pjotr Schelomowski am Dienstag aus Nowoasowsk. "Sie fliegen irgendwoher aus der Richtung Russlands." Andrew Cramer, Reporter der New York Times, berichtete, einige ukrainische Truppen flöhen "chaotisch", ein ukrainischer Grenzsoldat sagte, beim Überfahren der Grenze hätten die Panzer Flaggen der prorussischen Rebellen getragen.

Die US-Regierung hatte schon am Vortag unter Berufung auf Satellitenfotos erklärt, gepanzerte Kolonnen aus Russland seien über die Grenze bis zu 50 Kilometer tief in die Ukraine eingedrungen. Der russische OSZE-Beauftrage Andri Kelin dagegen bezeichnete die Panzerkolonnen bei Nowoasowsk gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti als "mysthisch". Russland bestreitet seit Monaten, es unterstütze die Separatisten im Donbass militärisch. Aber Ella Poljakowa, Mitglied des russischen Präsidialrates für Menschenrechte, sagte gestern: "Wenn sich Menschenmassen unter Befehlshabern auf Panzern und Schützenpanzern in einem anderen Land befinden, dann betrachte ich das als Invasion."

Alexander Sachartschenko, Regierungschef der separatistischen "Donezker Volksrepublik", erklärte Erfolge der Gegenoffensive wie die Einkesselung mehrerer tausend Ukrainer bei Ilowaisk durch die Waffenhilfe "3000 bis 4000" Freiwilliger aus Russland: "Ehrlich gesagt, unter ihnen sind auch aktive Militärs. Sie haben Urlaub genommen, nicht um am Strand zu liegen, sondern um Seite an Seite mit uns zu kämpfen."

Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin schloss gegenüber unserer Zeitung aus, dass reguläre russische Einheiten in der Ukraine kämpfen. Aber Offiziere hätten 30 bis 45 Tage Urlaub, in denen sie machen könnten, was sie wollen. Nach Angaben der Zeitung "Kommersant" sind Armeeangehörige allerdings verpflichtet, den Staatssicherheitsdienst FSB zu informieren, wenn sie Ferien im Ausland machen wollen, dieser gestatte die Ausreise nur bei Familienbesuchen, Begräbnissen oder ärztlichen Behandlungen.

Der Schriftsteller Arkadi Babtschenko sagt, Russland sei in der Ukraine dabei, einen großen Krieg anzuzetteln. "Ohne Militärhilfe aus Russland wäre die Rebellenarmee schon längst zusammengebrochen." Jüngst bekannt gewordene Fälle gefangener oder gefallener russischer Wehrdienstleistender seien weitere Beweise für die Militärintervention.

Am Montag hatten die Ukrainer die Gefangennahme zehn russischer Fallschirmjäger bei Ambrosiewka gemeldet. Moskau behauptete, die Soldaten seien versehentlich auf ukrainisches Gebiet geraten. Der Veteranenverband "Sabyti Polk" stellte 26 Namen von Einheiten, meist Brigaden, ins Internet, die in der Ukraine im Einsatz sein sollen. Danach kämpfen dort 15 000 bis 20 000 russische Soldaten. Da es angeblich weder eine russische Operation noch russisches Militär in der Ukraine gebe, seien die Soldaten vogelfrei.

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