Kommentar zur Türkei und der EU Illusion

Meinung | Brüssel · Dem türkischen Präsidenten Erdogan gehen die Trümpfe aus. Er weiß, was ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen für ihn und sein Land bedeuten würden. Doch die EU-Gemeinschaft müsse nun Farbe bekennen, kommentiert Mirjam Moll.

 Da war man noch im Gespräch: Der damalige Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, und Recep Tayyip Erdogan, damals noch türkischer Premierminister, am 21. Januar 2014 in Brüssel.

Da war man noch im Gespräch: Der damalige Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, und Recep Tayyip Erdogan, damals noch türkischer Premierminister, am 21. Januar 2014 in Brüssel.

Foto: picture alliance / dpa

Die Türkei braucht die EU. Und ihr polternder Machthaber Recep Tayyip Erdogan weiß das. Je weiter er in die Enge getrieben wird, desto unglaubwürdiger werden seine verbalen Schläge gegen diverse EU-Hauptstädte – allen voran Berlin. Der Staatsmann tobt, weil ihm die Trümpfe ausgehen. Die Drohung, den Flüchtlingspakt einseitig aufzukündigen, flößt Europa längst nicht mehr so große Furcht ein. Denn auch Erdogan weiß, was für ihn auf dem Spiel steht. Die zugesicherten Milliardenhilfen fließen auch in den Ausbau von Infrastruktur und den Bau von Schulen, von denen auch türkische Staatsbürger profitieren. Die Visaliberalisierung für selbige kommt erst, wenn Erdogan von seinem Anti-Terror-Gesetz abrückt. Außerdem würde sich durch eine Neuauflage der Handelsbeziehungen für die türkische Wirtschaft ein riesiger Markt eröffnen, doch Merkel will die Gespräche in der EU blockieren. Sie dürfte nicht alleine stehen mit ihrer Forderung, zu einem solchen Druckmittel zu greifen.

Zumal die Drohung, die EU-Beitrittsgespräche abzubrechen, Erdogan tatsächlich in die Hände spielen könnte – der damit sein Argument, die EU sei gegen sein Land, bestätigt sähe. Dennoch muss die Gemeinschaft Farbe bekennen und die Verhandlungen zumindest suspendieren. Die Folge wäre, dass die Beitrittsverhandlungen erst dann wieder aufgenommen werden können, wenn eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür stimmt. Es wäre ein starkes Zeichen, wenn alle gemeinsam erklären würden, dass eine Türkei unter dem System Erdogan keinen Platz in der Runde der gelben Sterne auf blauem Grund hat.

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