Kommentar zum Parteitag der Grünen Gekämpft, gescheitert

Meinung · Die Grünen haben bei den Sondierungen über Jamaika mit dem Ausstieg der FDP die (schwarz-gelb-grüne) Regierungsoption verloren.

 Die Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir und Simone Peter, auf dem Parteitag.

Die Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir und Simone Peter, auf dem Parteitag.

Foto: dpa

Opposition, wir kommen! Hart verhandelt, fast am Ziel und doch müssen sich die Grünen nun darauf einrichten, dass sie einer nächsten Bundesregierung wieder nicht angehören werden. Das war – bei allen Widrigkeiten und Kompromisszwängen – nicht der erklärte Wille der Partei- und Fraktionsführung im Bund. Die Grünen haben bei den Sondierungen über Jamaika mit dem Ausstieg der FDP die (schwarz-gelb-grüne) Regierungsoption verloren.

Doch die Grünen gehen unbeschadet, ja, gestärkt daraus hervor. Sie haben den Wählerwillen ernst genommen und hätten sich einer solchen Jamaika-Koalition, die bei der eigenen Basis unbeliebt ist, nicht verweigert. Die Grünen gehen auch nach innen geschlossener aus diesem vierwöchigen Härtetest hervor. Vielleicht tragen diese Sondierungsgespräche noch dazu bei, dass die Grünen den Streit ihrer Parteiflügel endlich in konstruktive Bahnen lenken. Wie war der Slogan dieses Parteitages? „Zukunft ist, was wir draus machen.“

Zur Option für die Zukunft gehört nach diesen Sondierungsgesprächen für die Grünen eine Koalition mit den Unionsparteien. Mindestens zur CDU und ihrer Vorsitzenden Angela Merkel haben die Grünen-Verhandlungsführer Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir eine neue, höhere Vertrauensebene aufbauen können. Und umgekehrt. Die Fähigkeit zum Kompromiss wird künftig gefragter sein als je zuvor. In 16 Bundesländern gibt es 13 unterschiedliche Regierungskonstellationen. Das Parteienspektrum hat sich verändert. Den einen Wunschpartner gibt es nicht mehr. Doch Verweigerung ist von gestern, erst recht, wenn man für eine in Teilen polarisierte Gesellschaft wieder Gemeinsamkeiten schaffen muss.

Niemand kann im Moment verlässlich vorhersagen, auf welcher Basis und auf welchem Weg eine nächste Bundesregierung aufgestellt werden kann. Minderheitsregierung, wieder eine große Koalition oder Neuwahlen – alles möglich. Vielleicht kommen die Grünen im Falle einer Minderheitsregierung noch einmal ins Spiel. Doch auch dies wäre alles andere als eine optimale Konstellation.

Erst das Land, dann die Partei. So hat es Parteichef Cem Özdemir der eigenen Basis jetzt mit auf den Weg gegeben. Früher waren die Grünen gerne und bei manchen Parteitagen auch ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Doch die alten Schlachten sollen (Partei-)Geschichte sein. Noch vor einem Jahr hatten sie sich beim Parteitag in Münster über die Wiedereinführung einer Vermögensteuer für Superreiche gezofft.

Die Grünen, einst als Anti-Parteien-Partei gegen das politische Establishment angetreten, sind längst Teil dieses Establishments. Mit diesen Sondierungsgesprächen sind sie weiter gewachsen. So widersprüchlich es klingt: In diesem Scheitern kann für die Grünen auch eine Chance liegen.

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