Gremium debattiert Spionageaffäre Frust bei Geheimdienst-Kontrolleuren

BERLIN · Hans-Christian Ströbele hat eilig seine Sachen gepackt und ist zurück nach Berlin gereist. Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) zur Kontrolle der Geheimdienste - im abhörsicheren Raum U1 215 im Jakob-Kaiser-Haus.

Tags zuvor noch hatte PKGr-Mitglied Ströbele (Grüne) in London mit Geheimdienst-Kontrolleuren aus zehn Staaten, darunter auch das Spionagebündnis der sogenannten "Five Eyes" mit den USA an der Spitze, über Möglichkeiten der Geheimdienstkontrolle beraten.

Und jetzt muss sich Ströbele dies anhören. "Lächerlich". So lapidar qualifiziert Thomas de Maizière die durch die mutmaßliche Spionage für US-Geheimdienste in Deutschland gewonnenen Informationen. Diese seien, "wenn es dabei bleibt, was wir jetzt wissen", einfach nur "lächerlich", betont de Maizière. Aber bitte, der politische Schaden dagegen sei "jetzt schon unverhältnismäßig und schwerwiegend", ergänzt der Innenminister noch und betont erneut die Bedeutung einer effektiven Spionageabwehr.

Bei einer solchen Einschätzung muss so manches Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) zur Kontrolle der Geheimdienste erst einmal tief durchatmen. De Maizières Aussage ist bemerkenswert, schließlich ist der CDU-Politiker als Bundesinnenminister auch oberster Dienstherr für die Abwehr von Gefahren auf das Land. Ströbele ist erstaunt: "Ich fürchte, dass der Kollege de Maizière und Innenminister nicht ausreichend informiert ist, sonst hätte er das so nie sagen können."

150 Minuten haben die Mitglieder des Kontrollgremiums soeben mit den Spitzen der deutschen Nachrichtendienste zusammen-gesessen und sich über die jüngsten zwei bislang bekannt gewordenen Spionageverdachtsfälle eines BND-Mannes und eines Mitarbeiters im Bundesverteidigungsministerium informieren lassen.

Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche hat dem geheim tagenden PKGr dabei eine echte Neuigkeit mitgeteilt, eine Nachricht, mit der PKGr-Vorsitzender Clemens Binninger gleich an die Öffentlichkeit gehen darf. Die Bundesregierung habe als Reaktion auf die anhaltende Weigerung zur Kooperation den obersten US-Geheimdienstler an der Botschaft in Berlin "aufgefordert, Deutschland zu verlassen". Berlin habe in den USA viele Fragen gestellt, "ohne irgendeine Antwort zu bekommen", so Binninger.

Die parlamentarischen Kontrolleure äußern sich nach dieser Sondersitzung des PKGr zufrieden mit den Informationen, die ihnen die Spitzen der Geheimdienste gegeben haben. "Heute ist nicht gemauert worden", lobt André Hahn (Linke). Der Fall eins des BND-Mitarbeiters, der seit nun einer Woche bekannt ist, gilt als der schwerwiegendere.

"Das ist schon ein ganz, ganz dicker Hund", sagt Ströbele. Der BND-Mann soll sich Geheimdienstunterlagen ausgedruckt und mit nach Hause genommen, sie dort gescannt und schließlich auf einen Stick gezogen haben. Insgesamt 218 Dokumente oder umgerechnet fünf Leitz-Ordner, wie einer erzählt.

BND-Präsident Gerhard Schindler habe im PKGr versichert, der Inhalt der Dokumente sei "nicht sehr brisant", berichtet Vorsitzender Binninger nachher. Ob das stimmt, wollen die Mitglieder des Gremiums nun selbst prüfen. Sie haben alle 218 Dokumente angefordert und wollen sie nun selbst durchforsten.

Im Fall zwei des Mitarbeiters im Verteidigungsministerium gestaltet sich laut Binninger die Beweislage als "äußerst schwierig". Man müsse zunächst weiter "Fragen prüfen" und "Fakten erhärten". Offenbar ist dem Mann bislang nichts nachzuweisen. Doch die Ermittlungen gehen weiter.

Persona non grata

Der US-Repräsentant für die Geheimdienste soll die beiden mutmaßlichen Spione geführt haben. Sollte er nun der aktuellen Aufforderung zur Ausreise nicht nachkommen, würde er von der Regierung zur unerwünschten Person ("persona non grata") erklärt. Dann müsste er innerhalb einer Frist - normalerweise 72 Stunden - zwingend das Land verlassen. Das wäre dann eine auch formelle Ausweisung. Die Opposition begrüßte das Vorgehen gegen den US-Geheimdienstler, forderte aber weitere Schritte - wie eine Aussetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.

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