Neue Gewalt in Ferguson Es wird immer brutaler

WASHINGTON · Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Ordnungskräften und teilweise gewalttätigen Demonstranten in der von Rassen-Unruhen erschütterten US-Kleinstadt Ferguson geht nach Einberufung der Nationalgarde nicht nur unvermindert weiter. Es wird immer brutaler.

In der Nacht zu Dienstag geriet die Polizei nach Angaben von Einsatzleiter Ron Johnson unter "heftigen Beschuss" aus Reihen der Demonstranten. Dabei habe es zwei Verletzte gegeben. Aus Wut über die zögerliche Aufklärung der Behörden nach der Erschießung des 18-jährigen Schwarzen Michael Brown am 9. August tragen Nacht für Nacht Hunderte Demonstranten ihren Protest auf die Straßen der 21 000 zählenden Gemeinde nahe St. Louis im US-Bundesstaat Missouri. Johnson sagte bei einer nächtlichen Pressekonferenz: "Wir haben nicht einmal zurückgeschossen." Stattdessen seien Tränengas und Blendgranaten eingesetzt worden.

Unweit der von Protesten erschütterten US-Stadt Ferguson haben Polizisten gestern einen Afro-Amerikaner erschossen. Der 23-Jährige habe die Beamten mit einem Messer bedroht, sagte der Polizeichef Sam Dotson. Der Verdächtige habe sich unberechenbar verhalten und die Polizisten aufgefordert, ihn zu erschießen.

Der Afro-Amerikaner Johnson, in der vergangenen Woche von Gouverneur Jay Nixon mit dem Ziel der Beruhigung der Lage eingesetzt, hält zunehmend von auswärts anreisende Gewalttäter und Plünderer für das Hauptproblem in Ferguson. Nach seinen Angaben stammen etliche der Inhaftierten aus Chicago, Detroit, Atlanta oder New York. Nach US-Medienberichten seien darunter politisch radikalisierte Schwarze, "die sich in der Tradition von Bürgerrechtlern wie Malcom X sehen". Aber auch "arbeitslose Kriminelle", die unter dem Vorwand des Todes von Michael Brown allein deshalb nach Ferguson gekommen seien, "um Randale zu machen und Geschäfte auszurauben".

Bei dem Versuch, die Spreu vom Weizen zu trennen und ein - auf Drängen des Weißen Hauses - vertretbares Mittelmaß zwischen Härte und Milde walten zu lassen, leisten sich die erkennbar nervöser werdenden Einsatzkräfte immer häufiger Fehler. Es häufen sich Berichte, wonach friedliche Demonstranten, Mütter, Väter, Alte und Jugendliche, mit Tränengas behelligt und körperlich attackiert worden sein sollen. "Manche Cops verlieren komplett die Nerven", zitierte der Sender ABC einen Anwohner.

Auch die Medien, inzwischen in Hundertschaften vor Ort, bleiben nicht verschont. Nachdem zuletzt zwei Reporter der "Washington Post" und der "Huffington Post" unter fadenscheinigen Gründen vorübergehend verhaftet und an der Arbeit gehindert wurden, was Präsident Obama zu polizei-kritischen Anmerkungen veranlasste, gerieten jetzt erstmals deutsche Tageszeitungsjournalisten ins Visier der Ordnungskräfte. Darunter Ansgar Graw ("Die Welt)" und Frank Herrmann ("Rheinische Post"). Die beiden langjährigen US-Korrespondenten waren nach eigenen Schilderungen bei einem Ortsbesuch von Polizisten während der Recherche schikaniert und danach verhaftet worden. Sie kamen nach drei Stunden frei. Beide erklärten, das Motiv der Polizei-Aktion sei eindeutig Einschüchterung und Verhinderung von Berichterstattung gewesen.

US-Medienverbände beklagen seit Tagen, dass in Ferguson die Pressefreiheit stark eingeschränkt sei.

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