Auslöschung der IS Erhebliche Risiken im Obamas Strategie

WASHINGTON · "Wir werden den ,Islamischen Staat' schwächen und am Ende zerstören", sagte Barack Obama bei seiner Fernsehansprache an die Nation und die ganze Welt. Das Versprechen ist groß, die Fallstricke sind zahlreich.

Im Kampf gegen die radikalen Islamisten im Irak und in Syrien drohen erhebliche Risiken. Ein Überblick:

Die Gefahren:

Im Irak kann sich Washington auf die kurdischen Peschmerga verlassen. Auch Bagdad unter seiner neuen Regierung wird vorläufig auf Linie bleiben. In Syrien gibt es aber keinen Partner. Böse Überraschungen sind möglich.

Weitere Indikatoren für ein mögliches Scheitern wären: Wenn die Türkei ihre Grenze nicht dichtmacht, um den Zustrom europäischer Möchtegern-Dschihadisten nach Syrien zu stoppen.

Wenn Saudi-Arabien und andere Regionalmächte nicht ihre verdeckten Zahlungen an den "IS" einstellen.

Wenn der Iran das Gefühl gewinnt, die Sunniten um Teheran herum werden durch Amerikas Engagement zu mächtig.

Dazu lauern Stolpersteine auf diplomatischem Parkett: Russland hat ein Eingreifen in Syrien ohne Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen bereits als "Aggression" bezeichnet. In dem Top-Gremium gilt ein "Njet" Moskaus als sicher.

Die Arbeitsteilung:

Amerikas Lufthoheit ist unbestritten. Im zweiten Irak-Krieg 2003 haben die USA in den ersten 24 Stunden 2500 Angriffe geflogen. Entscheidend ist aber nach übereinstimmender Ansicht im Pentagon, was danach am Boden passiert. Dort soll Amerika laut Obama keinen "Fußabdruck" hinterlassen. Andere sollen ran.

Weder in Syrien noch im Irak hat sich bisher eine Armee gezeigt, die nicht von den IS-Stoßtrupps überrannt worden wäre, mit Ausnahme eben der kurdischen Peschmerga. Das Manko durch Training an der Waffe zu beheben, wird Jahre dauern. Bis dahin kann das selbsternannte Kalifat IS sein Territorium konsolidiert oder weiter ausgebaut haben.

Der Unterschied:

Bagdad hat gebettelt, dass Washington IS-Stellungen im Norden Iraks unter Bomben legt. Beim Nachbarn Syrien sieht das anders aus. Diktator Assad kann Obamas Plan durchkreuzen, indem er die US-Lufthoheit torpediert. Oder er macht sich mit Washington gemein und erklärt sich zum Verbündeten, weil der IS auch ihn tot sehen will.

Beides bereitet Obama Bauchschmerzen. Wie ausgeschlossen werden soll, dass der Despot in Damaskus von US-Bomben auf die Terroristen profitiert, ist bisher nicht erkennbar.

Die Altlasten:

Washington als Zuchtmeister oder Schiedsrichter zwischen verfeindeten Schiiten und Sunniten - das hat noch nie funktioniert. Die Fehde zwischen den Glaubensrichtungen ist uralt. Selbst die Vernichtung des IS, sollte sie denn gelingen, wird keinen flächendeckenden Jubel auslösen. Selbst dann nicht, wenn Amerika - wie in Afghanistan - Milliarden ausgibt, um Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitssysteme im Irak oder in Syrien aufzubauen.

Das Meinungsklima:

Verängstigt durch den Alarmismus vieler Medien, Politiker und Kabinettsmitglieder nach den Exekutionen ihrer Landsleute Foley und Sotloff unterstützen drei Viertel der prinzipiell kriegsmüden Amerikaner ein militärisches Vorgehen gegen IS. Bei Misserfolgen, weiteren Entführungen und Hinrichtungen von Amerikanern, Fahnenflucht von Koalitionären, die den langen Atem oder das Geld nicht haben, kann die Stimmung rasch kippen.

Die Verschleierung:

Obama redet seinen Landsleuten mit Macht ein, dass es kein "Krieg" sei, was demnächst gegen die mordenden Verfechter der Scharia losgetreten wird. Sondern eine "umfassende Anti-Terror-Maßnahme". Das ist, wie selbst Militär-Experten aus Obamas demokratischer Partei hinter vorgehaltener Hand sagen, "Wortklauberei", um sich von Vorgänger George W. Bush abzugrenzen und "ein längst verblasstes Image als Anti-Kriegs-Präsident zu retten".

Dazu passt, dass Obama betont, dass er keine regulären "Boden-Kampftruppen" schicken werde. Auch das ist Semantik. Spezialkommandos von Navy Seals und Delta Force oder die paramilitärischen Truppen des Geheimdienstes CIA, die in der Vergangenheit fast immer an Anti-Terror-Maßnahmen in Pakistan, im Jemen oder in Somalia beteiligt waren, fallen nicht unter die von Obama genannte Kategorie.

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