Wechsel in der Europäischen Union EU-Kritiker an der Spitze

Brüssel · Die Slowakei übernimmt die Ratspräsidentschaft. Premier Robert Fico verspricht, ein guter Moderator zu sein. Dabei zählt er in der Flüchtlingsfrage zu den schärfsten Kritikern der Gemeinschaft.

 Der Europakritiker Robert Fico übernimmt den Vorsitz der Union.

Der Europakritiker Robert Fico übernimmt den Vorsitz der Union.

Foto: AFP

Robert Fico gibt sich in diesen Tagen gerne europäisch. Der 51-jährige slowakische Ministerpräsident beteuert immer wieder, er werde „ein ehrlicher Makler und guter Moderator“ sein, wenn er am Freitag die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernimmt.

Im Turnus von sechs Monaten wechselt der Vorsitz zwischen den Mitgliedstaaten. Seit Januar 2016 waren es die niederländischen Politiker, die die Sitzungen der Fachminister in Brüssel leiteten, Kompromisse vorbereiteten und Schwerpunkte für das kommende Halbjahr setzten. Nun kommt diese Aufgabe auf Fico und sein Kabinett zu.

Doch noch traut man dem Chef der linksgerichteten Partei Smer-SD diese Führungsrolle nicht ganz zu. Denn schließlich müsste der Jurist ausgerechnet bei dem Thema eine Lösung finden, bei dem er sich stets mit Brüssel überworfen hat: bei der Flüchtlingskrise. Kein EU-Land nahm bisher weniger Zuwanderer auf als die Slowakei.

„Der Islam hat keinen Platz in der Slowakei“, hatte Fico noch vor wenigen Monaten gesagt und den Multikulturalismus als „Fiktion“ bezeichnet. Nach den Anschlägen in Paris kündigte er an, jeden Moslem in der Slowakei überwachen zu wollen. Mehr noch: Fico war es, der gegen den Mehrheitsbeschluss der Innenminister zur Aufteilung der Flüchtlinge Klage beim Europäischen Gerichtshof erhob, der sich Ungarns Premier Viktor Orbán anschloss.

Aber vielleicht wird seine größte Aufgabe darin bestehen, den Brexit sauber über die Bühne zu bringen. „Eine der wichtigsten Prioritäten muss jetzt sein, eine möglichst gute Qualität unserer Beziehungen (zu Großbritannien) zu bewahren“, sagte er beim EU-Gipfel am Dienstag in Brüssel. Die Gelegenheit dazu bekommt er am 15. September, seinem 52. Geburtstag: An diesem Tag werden alle 27 Staats- und Regierungschefs der Union (Großbritannien wurde nicht eingeladen) nach Bratislava kommen, um auf einem Sondergipfel Leitlinien für das absehbare Scheidungsverfahren vom Vereinigten Königreich zu diskutieren.

Dabei dürfte es nicht Fico selbst sein, der die entscheidenden Gesprächsrunden moderiert, sondern sein Außenminister Miroslav Lajcak (53), der hinreichend Erfahrungen in der Lösung internationaler Konflikte mitbringt. 2006 überwachte er im EU-Auftrag das Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro. Ein Jahr später ging er als Repräsentant der internationalen Gemeinschaft und Sondergesandter der EU nach Bosnien-Herzegowina, um den Wiederaufbau zu betreuen. Inzwischen gilt er als Top-Kandidat für den Job als neuer UN-Generalsekretär, der Anfang 2017 gewählt wird.

Die Slowakei als streng EU-kritisch hinzustellen, wäre zu einseitig. Das weiß man auch in Brüssel. Bei einer Volksabstimmung unter den 5,4 Millionen Einwohnern im Jahre 2003 über den Beitritt zur EU ein Jahr später gab es mit über 92 Prozent die höchste Zustimmung, bei allen bisherigen Europawahlen aber mit 13 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung.

Als Fico, der schon einmal von 2006 bis 2010 die Regierungsgeschäfte leitete, 2012 wiedergewählt wurde, setzte er sich mit einem strikt europäischen Kurs gegen seine Gegner durch. Widersprüche, die im Land gerne mit dem Satz umschrieben werden: „Die Slowaken lieben Europa, aber sie machen nicht mit.“ Nun muss Fico seinen Landsleuten klarmachen, dass sie sechs Monate lang an der Spitze der EU stehen und für Europa sprechen, verhandeln und Kompromisse finden müssen.

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