SPD berät über Freihandelsabkommen Ceta Draußen Protest, drinnen Kompromiss

Wolfsburg · Die Führung der SPD bewegt sich in Sachen Freihandelsabkommen Ceta auf die Kritiker zu. Am Ende sagt die Partei Ja dazu. Bevor es angewendet wird, sollen Konsultationsverfahren vorausgehen

 Mehr als 15.000 Menschen beteiligen sich am 17.09.2016 in Frankfurt am Main an einer Großdemonstration gegen die Handelsabkommen TTIP und Ceta. Foto: Boris Roessler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Mehr als 15.000 Menschen beteiligen sich am 17.09.2016 in Frankfurt am Main an einer Großdemonstration gegen die Handelsabkommen TTIP und Ceta. Foto: Boris Roessler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

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Draußen, vor den Türen des Wolfsburger Congress-Parks, brüllten sich dreihundert Demonstranten die Seele aus dem Leib. „SPD hab Mut, Ceta-Stopp tut gut“, riefen sie ausdauernd und von Trommeln und Trillerpfeifen begleitet. Sie protestierten gegen die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta. Das hat inzwischen Tradition bei SPD-Veranstaltungen, aber diesmal war der Demo-Zeitpunkt besonders gut gewählt. Denn die SPD-Delegierten, die an diesem Spalier des Protests vorbei in das Tagungszentrum liefen, stimmten darüber ab, wie denn nun weiter mit Ceta umzugehen sei.

Die Demonstranten hofften, dass die SPD nicht nur TTIP fallen lässt, sondern auch Ceta kippt. Das aber würde SPD-Chef Sigmar Gabriel ins Mark treffen, ihn womöglich den Parteivorsitz kosten, die Kanzlerkandidatur sowieso. Die SPD würde ins Chaos stürzen, Regierungskrise inklusive. Und so wurde unmittelbar vor dem Konvent hinter verschlossenen Türen an einem Kompromiss gearbeitet, der es möglichst vielen Kritikern ermöglichen sollte, am Ende doch noch den Kurs Gabriels zu tragen, damit dieser auf dem informellen EU-Handelsministerrat in Bratislava gemeinsam mit seinen EU-Kollegen das parlamentarische Verfahren auf den Weg bringen kann.

Der Vorsitzende der Parlamentarischen Linken (PL) im Bundestag, Matthias Miersch, einer der einflussreichsten Ceta-Skeptiker, hatte gemeinsam mit dem Vorsitzenden des EU-Handelsausschusses, Bernd Lange, eine Brücke gebaut, über die auch Gabriel am Montag gehen konnte. Ceta-Fan Lange und Freihandels-Kritiker Miersch kennen sich gut, beide gehören dem stramm linken Bezirk Hannover an, der das Kompromisspapier in die abschließende Parteivorstandssitzung unmittelbar vor dem Konvent einbrachte. Knackpunkt war die Frage, welche Teile des Abkommens nach der Abstimmung des Europäischen Parlaments, noch vor dem Votum der nationalen Parlamente, bereits vorläufig in Kraft treten können.

Der Kompromiss sah vor, dass vor der Abstimmung des EU-Parlaments im Frühjahr 2017 eine Art Konsultationsprozess gestartet werden soll, bei dem mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft die Frage erörtert wird, was denn nun genau vorläufig in Kraft treten kann und was in der Hoheit der Länder bleibt.

Die SPD-Linke hoffte, dass auf diese Weise die Regelungsbefugnis des EU-Parlaments auf ein Minimum reduziert würde und manche setzten wohl auch darauf, dass der Prozess auf diese Weise weiter in die Länge gezogen werden kann.

Das wurde im Gabriel-Lager vehement bestritten: „Klar ist, wir spielen nicht auf Zeit“, hieß es dort. In SPD-Führungskreisen wurde darauf verwiesen, dass die SPD-Vorstellungen auf EU-Ebene konsensfähig seien. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und andere hätten schon Vorarbeiten geleistet. Das sei auch den Delegierten signalisiert worden.

Miersch schickte nach der Vorstandssitzung unmittelbar vor Konventsbeginn eilig eine E-Mail an die Delegierten, einen Appell an alle Kritiker in seinem linken Lager, den eingeschlagenen Weg nun mitzugehen: „Als Anlage übersenden wir Euch die Fassung eines Änderungsantrages, der zwischen Bernd Lange, Sigmar Gabriel und mir geeinigt wurde. Wir sind fest davon überzeugt, dass dieser Antrag eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Positionen bilden kann“, heißt es darin. Es werde „unmissverständlich klargestellt, dass alle diejenigen Forderungen, die in der innerparteilichen Debatte kritisch diskutiert werden, rechtsverbindlich gelöst werden müssen, um am Ende eine Zustimmungsfähigkeit“ für die Parlamentarier zu erreichen.

Man wolle „einen breiten Diskurs mit der Zivilgesellschaft und den Parlamenten, bevor über die Frage der vorläufigen Anwendung von Teilen des Abkommens entschieden wird“. Miersch zeigte sich „davon überzeugt, dass wir so einen belastbaren Weg beschreiten können.“ Damit war die Lage entschärft. Zumal bereits die ursprüngliche Fassung des Leitantrags des Parteivorstands den Kritikern weit entgegenkam. So sollte bei dem Investitionsgerichtshof, der die ursprünglich geplanten privaten Schiedsgerichte ersetzt, „die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung gesichert“ werden. Außerdem sollte auch garantiert sein, dass die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von Kanada ratifiziert werden und die Entscheidung über die Privatisierung wichtiger Bereiche der Daseinsvorsorge in der Hand der nationalen Parlamente verbleibt. Am Ende akzeptierte die SPD, wenn auch mit Gegenstimmen, den Kompromiss. Und damit auch ihren Vorsitzenden.

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