Nato Die Nato als Restrisikoversicherung

Berlin · Wegen Russlands aggressiver Politik hat die Allianz ihre militärische Präsenz an der Ostflanke deutlich verstärkt.

 Bundeswehrpanzer auf einem Truppenübungsplatz in Polen.

Bundeswehrpanzer auf einem Truppenübungsplatz in Polen.

Foto: picture alliance / dpa

September 2014, Newport, Wales. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Mitglieder versammeln sich zu ihrem Gipfel. Europa ist in Unruhe. Der russische Präsident hat sich Monate zuvor die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim einverleibt. Im Osten der Ukraine lässt er einen hybriden, also einen nie erklärten Krieg führen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagt: „Der Ukraine-Konflikt ist eine Frage von Krieg und Frieden für Europa.“ Die Nato-Staaten an der Ostflanke des Bündnisses, Polen, Estland, Lettland und Litauen, sind alarmiert. Könnte Putin seinen Großmachthunger womöglich auch an ihrer Grenze stillen?

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte schon Wochen vor dem Nato-Gipfel gewarnt: „Und jeder im Bündnis weiß: Lassen wir im Ernstfall die Balten im Stich, ist die Nato tot.“ In Newport beschließt die Allianz – als sichtbares Zeichen an Russland – eine sehr schnelle Eingreiftruppe aufzustellen, die innerhalb von zwei bis fünf Tagen einsatzbereit sein soll. Der scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bringt die Verpflichtung zum kollektiven Beistand auf den Punkt: „Alle für einen, einer für alle.“

Juli 2016, Warschau, Polen. Vor dem nächsten Nato-Gipfel ist die Zahl der Fähnchen auf der Karte der tatsächlichen und potenziellen Krisen nicht kleiner geworden. Der Krieg in der Ukraine geht trotz des Abkommens von Minsk im Februar 2015 nahezu unvermindert weiter. Die Nato beschließt, erneut als Zeichen und Warnung an Russland ihre militärische Präsenz an der Nato-Ostflanke zu verstärken. Experten befürchten, russische Truppen bräuchten nicht mehr als 60 Stunden, um das Baltikum einzunehmen.

Der Korridor zwischen dem Kaliningrader Gebiet und Weißrussland, der das Baltikum mit dem Rest der Nato verbindet, ist nur 65 Kilometer breit. Er könnte schnell von russischen Truppen blockiert werden. Vier Bataillone mit jeweils 1000 Soldaten sollen nun bei den östlichen Alliierten, im Baltikum und in Polen, stationiert werden. Deutschland ist dabei. Die Bundeswehr führt ab 2017 in Litauen einen Verband und stationiert dafür bis zu 500 Soldaten. Außerdem will die Nato durch mehr Übungen und Manöver verstärkt Flagge als Zeichen der Ge- und Entschlossenheit gegenüber Russland zeigen.

In dieser Woche hat sich auch Bundespräsident Joachim Gauck, alles andere als ein Russland-Freund, aufgemacht zum demonstrativen Besuch ins polnische Stettin. Die Stadt nahe der deutsch-polnischen Grenze ist Sitz des Multinationalen Korps Nordost, das im vergangenen Jahr als Reaktion auf die Ukraine-Krise von 200 auf 400 Soldaten verstärkt worden war. Gauck lässt sich im Hauptquartier an der Seite von Polens Staatspräsident Andrzej Duda zur Lage vortragen.

Polen wie auch Balten verstehen ihre Nato-Mitgliedschaft auch als Versicherung gegen das Restrisiko. Moskau trauen sie historisch nicht über den Weg, sondern fühlen sich von Putins Machtgelüsten latent bedroht.

Gauck weiß, dass mit dem Wechsel an der Spitze der Nato-Führungsmacht USA und der Regierungsübernahme durch Donald Trump auch das transatlantische Verhältnis abkühlen könnte. Trump hatte im Wahlkampf wiederholt Sympathien für Russlands Präsident Putin erkennen lassen und zugleich die Europäer mit Aussagen erschreckt, diese könnten künftig stärker selbst für ihre Sicherheit geradestehen müssen. Nicht alles, was im Wahlkampf gesagt worden sei, werde später auch eins zu eins umgesetzt, versucht Gauck zu beruhigen. Die Nato sei nicht nur zur Sicherheit Europas, sondern auch für die Sicherheit der USA geschaffen worden.

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