In Verteidigungsstellung Die Familienministerin und der Streit ums Betreuungsgeld

BERLIN · Kristina Schröder erntet für ihre Positionen oft Häme, die Kritik reicht bis in die Koalition. Aber man bewundert ihr Stehvermögen

 Eine junge Ministerin prescht vor: Kristina Schröder präsentiert ihr jüngst erschienenes Buch.

Eine junge Ministerin prescht vor: Kristina Schröder präsentiert ihr jüngst erschienenes Buch.

Foto: dpa

Es ist ein typischer Arbeitstag für eine Bundesministerin. Am Mittwochmorgen 7.07 Uhr ein Radiointerview mit dem SWR, Thema Kita-Ausbau. Danach Kabinettssitzung. Die Minister und Ministerinnen sprechen über die alternde Gesellschaft, über das Missverhältnis von Geburten zur wachsenden Lebenserwartung der Deutschen und um Strategien dagegen.

Am Mittag steht Kristina Schröder mit dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, in ihrem Berliner Ministerium und berichtet über ein EU-Programm, das Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Babypause erleichtern soll.

Die 34-jährige Bundesfamilienministerin ist in diesen Tagen wieder einmal sehr gefragt, ihre Themen haben Konjunktur. Die Koalition liefert sich einen erbitterten Kampf um die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes, die Fronten sind verhärtet. Und eine junge blonde Frau aus Wiesbaden, die eigentlich vermitteln soll, eckt mit ihren Positionen überall an. Vergangene Woche ging Schröder mit einem Buch an die Öffentlichkeit, das einiges gerade rücken sollte. Aber wieder erntete sie vor allem: Häme.

Dabei ist "Danke, emanzipiert sind wir selber!" ein kluges Buch, dessen Ansichten viele Frauen, junge wie alte, ohne Probleme vertreten könnten. Was als Kampfschrift im Titel daherkommt, ist ein Appell, Frauen so leben und ihr Leben gestalten zu lassen, wie sie es wollen.

Der Appell richtet sich an "weltanschauliche Feministinnen" ebenso wie Strukturkonservative, an Alice Schwarzer ebenso wie an Eva Herman: "Sie erheben ein Rollenleitbild, das sie für sich selbst als vorzugswürdig erkannt haben, zum Rollenleitbild, das für alle gelten soll, und ziehen damit in den Kulturkampf um das richtige Frauenleben."

Schröder hat eben selbst erfahren, was es heißt, in der Öffentlichkeit zerrieben zu werden. Als sie im Herbst 2009 auf den Posten von der ehrgeizigen Ursula von der Leyen nachrückte, die ins Arbeitsressort wechselte, hieß Schröder noch Köhler, sie war kinderlos und ledig.

Kann so eine Familienministerin?, fragten sich die Medien. Dann heiratete sie, nahm den Namen ihres Mannes an, wurde schwanger, bekam ein Mädchen und kehrte ganz schnell wieder an ihren Vollzeitarbeitsplatz zurück. Vollzeitmütter mit mehreren Kindern beschimpften sie daraufhin in Briefen als Rabenmutter, andere verdächtigten sie, als Mitglied einer konservativen Partei ihren Familienstand lediglich den von außen herangetragenen Erwartungen angepasst zu haben.

Dabei, schreibt Schröder in ihrem Buch, habe sie schon in der Abiturzeitung als 19-Jährige kundgetan, dass sie eines Tages Mann, Kind und Beruf unter einen Hut bringen wolle. Aber welche Frau Karriere ohne Kinder wolle - auch gut! Niemand soll zu irgendetwas gezwungen werden.

Kristina Schröder hat auch im Bundestag schon Hohn und Gelächter ertragen müssen. Der SPD-Abgeordnete Franz Müntefering, früher einmal Bundesminister für Arbeit und Soziales, hält sie für eine "führende Repräsentantin einer orientierungslosen Politik".

Koalitionsintern äußern Politikerinnen Respekt vor ihrem "Stehvermögen", halten sie aber für "wenig profiliert", wie die Vorsitzende des Familienausschusses, Sibylle Laurischk erklärt. Die FDP-Abgeordnete wirft der Frauenministerin Schröder vor, "dass sie das Stichwort Feminismus kaum interessiert."

Damit rennt aber Laurischk bei Schröder nur offene Türen ein. "Deshalb schließt weibliche Emanzipation heute auch die Emanzipation von den Wegbereiterinnen weiblicher Emanzipation mit ein", schreibt Schröder.

Dass sie jetzt mit dem Betreuungsgeld so viel Ärger hat, liegt auch daran, dass sie damals, als zwischen den Unionsparteien und den Liberalen der Koalitionsvertrag verhandelt wurde, noch gar nicht beteiligt war. Die Koppelung von Betreuungsgeld und Kita-Ausbau hat die CSU immer gewollt, in der CDU aber wächst der Widerstand. Es war Schröders Amtsvorgängerin von der Leyen, die das Betreuungsgeld zähneknirschend in das Gesetz zum Kita-Ausbau mit hineinschrieb, offenbar hoffend, dass es irgendwie noch abgewendet werden könnte.

Äußerlich entspricht Schröder dem Bild konservativer Politikerinnen, die gern das eng anliegende Business-Kostüm mit hochhackigen Schuhen kombinieren. Aber dass sich niemand täusche: In die Politik wollte Schröder schon früh. Mit 14: Eintritt in die Junge Union, ein Jahr später schon Mitglied im Kreisvorstand. Während des Soziologiestudiums arbeitet sie für eine hessische Landtagsabgeordnete, mit 25 ist Köhler Mitglied im hessischen CDU-Vorstand und zieht in den Bundestag ein. Als sie Bundesministerin wurde, erzählte sie in einem Interview, schon als Teenager für Helmut Kohl geschwärmt zu haben.

Die Beliebtheitswerte der Kollegin von der Leyen sind auch nicht besonders gut, aber sie kann sich den Medien besser verkaufen. Statt gemeinsam Vorhaben umzusetzen, stiehlt von der Leyen der jüngeren Parteifreundin immer wieder die Schau. Es fiel auf, wie die Arbeitsministerin für eine gesetzliche Frauenquote in Unternehmen warb, während Schröder im Mutterschaftsurlaub war. Aber Schröder ist auch nicht für eine feste Quote, sondern nennt ihr Modell "Flexiquote". Das findet die Wirtschaft besser, und damit gilt Schröder als liberal und kapitalnah.

Ihre Erfolge werden kaum gewürdigt: die Pflegeteilzeit, der Bundesfreiwilligendienst, das Kinderschutzgesetz und der Runde Tisch gegen sexuellen Missbrauch. Viel mehr Staub aufgewirbelt hat hingegen ihre Extremismusklausel, die Vereine unterzeichnen müssen, die Bundesgelder für den Kampf gegen rechtsextreme Gruppierungen erhalten. "Ich möchte, dass sich Frauen endlich nicht mehr rechtfertigen müssen!", schreibt Schröder.

Sie wünscht sich das für ihr Privatleben. Als Politikerin bleibt es ihr nicht erspart, sich rechtfertigen zu müssen.

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