Diskussionsrunden in Bonn "Die EU-Kommission zurückstutzen"

BONN · Um die Zukunft Europas ging es am Donnerstagabend gleich in zwei Diskussionsrunden in Bonn. So sprach bei der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (Bapp) Österreichs Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer über die Frage "Die Eurokrise - eine Gefahr für das europäische Projekt?".

 EU-Dialog mit Abgeordneten im Bonner Wasserwerk.

EU-Dialog mit Abgeordneten im Bonner Wasserwerk.

Foto: Barbara Frommann

Für den Sozialdemokraten ist der Euro weltweit das Einzige, das von Europa wahrgenommen werde. Eine gemeinsame Außenpolitik etwa gebe es immer noch nicht. Wenn es die schon gäbe, hätte Europa der Ukraine mehr angeboten, um sie aus dem russischen Einfluss herauszuholen, meinte er.

Gusenbauer sprach sich dafür aus, "die EU-Kommission zurückzustutzen". Die Regelungswut in Brüssel sei schlimmer geworden seit Beginn der Finanzkrise. Die Euro-Rettung hätten die Staats- und Regierungschefs übernommen, die Kommission nehme "Ersatzhandlungen" vor. Die Kommission solle an das Europäische Parlament oder die nationalen Parlamente angebunden werden, so Gusenbauer.

Pessimistisch im Blick auf den Euro zeigte sich Michael Junker, Manager der Beratungsfirma Accenture. Alle 30 bis 50 Jahre würden Währungen zusammenbrechen. Das werde auch dem Euro passieren. Er befürchte aber, dass die EU, in der er derzeit nur eine Wirtschaftsgemeinschaft sehe, es bis zum Zusammenbruch nicht schaffe, ein politisches Europa zustande zu bringen.

Der rheinische Christdemokrat Rüttgers ist optimistischer. Die Lehre aus der Geschichte sei, dass jede Krise in Europa zu mehr Integration geführt habe. Er befürwortete eine Ausweitung der Macht des Europaparlaments. "Das ist das einzige europäische Organ mit voller Legitimation." Doch das Parlament habe noch Angst davor. Insofern fehle derzeit eine politische Führung.

Ob das mit einem neu zusammengesetzten Europaparlament anders wird? Im Mai nächsten Jahres wählen die Bürger schon zum achten Mal die in Brüssel und Straßburg tagende Vertretung aller Bürger aus den EU-Staaten. Im Vorfeld der Wahl diskutierten bei der zweiten Veranstaltung des Abends im alten Wasserwerk im Rahmen des EU-Bürgerdialogs Abgeordnete des Europäischen Parlaments mit mehr als 300 Bonner Bürgern über Reformen der Union.

Der Linken-Abgeordnete Thomas Händel aus Fürth warb um eine hohe Beteiligung beim anstehenden Wahlgang: "Europapolitik ist deutsche Innenpolitik", so Händel, immer mehr Entscheidungen würden in Brüssel gefällt. Ins selbe Horn blies Axel Voss, Vorsitzender der CDU-Mittelrhein und Abgeordneter in Brüssel: "Die EU ist nicht anders als die Bundesrepublik, nur eine Stufe größer."

Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel aus Arnsberg äußerte bei der von GA-Redakteur Kai Pfundt moderierten Veranstaltung die Sorge, dass angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Euro-Krisenstaaten wie Spanien und Griechenland "eine ganze Generation verloren geht".

Die Arbeitslosigkeit sei "eine der zentralen Herausforderungen", mit denen die EU zu kämpfen habe. Den Europaskeptikern erteilte der Braunschweiger Grüne Jan Philipp Albrecht eine entschiedene Absage. Die "globalen Herausforderungen" seien so groß geworden, dass einzelne Staaten mit der Bewältigung überfordert wären. "Alleine funktioniert es einfach nicht mehr."

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