FIFA-Kongress in Zürich Das System Blatter siegt

ZÜRICH · Im Gesicht Sepp Blatters ist nur eine winzige Spur des Triumphs zu sehen. Etwas verstohlen reckt er die Fäuste in die Luft. Auf der Brusttasche seiner Anzugsjacke prangen die vier Buchstaben FIFA. Er sagt: "Thank you."

Dann bedankt er sich bei seinem einzigen Herausforderer. Die Delegierten stehen, sie klatschen verhalten. Es ist kein großer Sieg für den "Paten" des populärsten globalen Sports, aber Blatter hat es geschafft. Der 79-jährige Schweizer mit dem ramponierten Ruf wird auch die nächsten vier Jahre den Weltfußballverband Fifa als Präsident beherrschen. Das System Blatter siegt noch einmal. Die Seilschaften im Reiche Blatters halten, er kann sich auf seine Günstlinge unter den Delegierten verlassen. Erwartet hatte es fast jeder im nüchternen Zürcher Hallenstadion.

Blatters Herausforderer, der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein, zog seine Kandidatur nach dem ersten Wahlgang zurück. Blatter erhielt 133 der gültigen 206 Stimmen, der Prinz vereinigte nur 73 Stimmen auf sich. Nötig aber war die Zwei-Drittel-Mehrheit. Im zweiten Durchgang hätte die Mehrheit gereicht. Al-Hussein gibt sich als guter Verlierer.

Was war an Blatters Schicksalstag geschehen? Am Freitag um 9.53 Uhr eröffnet Blatter den 65. Kongress des Weltfußballverbandes. Der Mann aus dem schroffen Wallis ist sichtlich bedrückt. Es zeichnen sich dunkle Ränder unter den Augen ab. Das Gewinnende, die Zuversicht ist aus den Zügen des früheren Mittelstürmers verschwunden. Heute steigt sein persönliches Endspiel.

Zu Beginn spricht Blatter von einer "speziellen" Atmosphäre. Es ist der Kongress, auf dem er sich zum letzten Mal wiederwählen lassen will. Zum fünften Mal seit 1998. Die Delegierten aus den 209 Mitgliedsverbänden sind still, viele folgen der Übersetzung. Blatter parliert in Französisch. "Die Ereignisse des vergangenen Mittwoch lösten einen Sturm aus", sagt er mit weicher Stimme. Kann der Sturm ihn, den unumschränkten Fifa-Herrscher, hinwegfegen? Will sich die "Familie" weiter von einem Patriarchen beherrschen lassen, in dessen Amtszeit sich die Korruption, die Günstlingswirtschaft, die maßlose Gier wie böse Krankheiten in dem Verband tief eingenistet haben?

Die "Ereignisse": Das sind die spektakulären Festnahmen von sieben hochrangigen Fußball-Funktionären im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Justiz, darunter zwei Fifa-Vizepräsidenten. Eigentlich hätten die sieben im Hallenstadion mitmischen wollen, jetzt sitzen sie in Auslieferungshaft. In den USA warten harte Strafverfahren. Die "Ereignisse", das sind auch die Sicherstellungen von Daten und Dokumenten durch die Schweizer Bundesanwaltschaft in der protzigen Fifa-Zentrale, hoch über Zürich. Und das sind die massiven Rücktrittsforderungen an Blatters Adresse. Und das sind die Drohungen von Europäern, die Weltmeisterschaften der Fifa zu boykottieren.

Blatters kurze Ansprache wirkt fahrig, strukturlos, hohl. Er kramt die alten Plattheiten heraus, den "Kampf gegen die Korruption und Spielmanipulation " beschwört er. Er fordert "Disziplin, Respekt, Fair Play" ein. Dann appelliert er an die Delegierten: "Lasst uns an die Arbeit gehen". Mit der "Kraft in ihren Herzen" sei alles möglich. Irgendwann stellt der Fußballboss die hilflose Frage: "Wo ist unser Fußball?" Kurzer Beifall. Blatter wirkt verwirrt. Das verschmitzte Blatter-Lachen zuckt kurz auf. Zu dieser Zeit ist klar: Weitere Verbände wenden sich von ihm ab. Neuseeland, Australien, die USA wechseln in das Lager des Blatter-Herausforderers, des Prinzen al-Hussein.

Nach dem Abarbeiten von Punkten wie der "Bestimmung der Stimmenzähler" schreitet Blatter wieder ans Pult. Jetzt hält er die "Ansprache des Präsidenten". Sie unterscheidet sich kaum von der ersten Rede, nur wirkt Blatter jetzt auch noch wehleidig. Er könne nicht jedes Familienmitglied kon-trollieren. Er, der langjährige Fifa-Architekt, habe kein Monster geschaffen. Blatter redet, redet, redet. Reue? Fehlanzeige. Ein konkretes Programm zum Austrocknen des Fifa-Korruptionssumpfes? Fehlanzeige. Wieder quittieren die Delegierten Blatters Ausführungen mit dünnem Applaus. Zwischendurch nicken die Delegierten die Finanzgeschäfte des milliardenschweren Weltkonzerns Fifa ab.

Gegen Mittag schnellt die Spannung nach oben. Bombendrohung. Die Polizei lässt das Hallenstadion räumen. Dann Entwarnung. Gegen 13.30 Uhr dürfen die Delegierten wieder zurück zu Blatters Finale. Der Schweizer wirkt jetzt frischer, straffer. Er lacht. Das Alter merkt man dem 1936 Geborenen nicht an. Er reißt Witzchen, beruft sich auf Südafrikas Ikone Nelson Mandela und feiert seine "Handschlag für den Frieden"-Initiative. Blatter ergreift so oft das Wort, wie er will. "Ich bin der Präsident", schnarrt er. So ist es eben bei der Fifa.

Nachdem Blatter auch noch sein neues "Fifa-Weltfußballmuseum" anpreist, und ein Konflikt zwischen den palästinensischen und israelischen Verbänden beigelegt wird, fallen die wichtigen personellen Entscheidungen. Zunächst die "Einsetzung der Vizepräsidenten und der Mitglieder des Exekutivkomitees". Dann folgt der Punkt 17: "Wahl des Präsidenten". Beide Kandidaten halten kurze Reden. Prinz al-Hussein verspricht den Neubeginn. Präsident Blatter verspricht den Neubeginn. Die Delegierten begeben sich zu den beiden Urnen. Blatter siegt. An der Entscheidung wird der Weltfußball lange zu tragen haben.

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