Kommentar zur Generaldebatte im Bundestag Bedenkliche Töne

Meinung | Berlin · Berlin. Die aggressive Stimmung nach den Geschehnissen in Chemnitz und Köthen hat den Bundestag erreicht - und verdrängt wichtige Zukunftsfragen, so unsere Autorin.

 Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, geht nach seiner Rede bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag an Horst Seehofer (l-r, CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorbei. Foto: dpa

Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, geht nach seiner Rede bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag an Horst Seehofer (l-r, CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorbei. Foto: dpa

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Die Spaltung der Gesellschaft, die mitunter aggressive Stimmung im Land und die Dominanz der Migrationsdebatte spiegelten sich am Mittwoch auch in der Generaldebatte im Bundestag wider. Nun könnte man rufen: herzlichen Glückwunsch. Endlich ist Leben unter der Glaskuppel, und die Parlamentarier tragen einen Wettbewerb um die besten Ideen fürs Land aus, anstatt sich in gepflegter Langeweile die üblichen Floskeln vorzuhalten.

Doch leider verdrängt die Debatte über Migrationsfragen sowie über die Geschehnisse in Chemnitz und Köthen die Zukunftsfragen des Landes. Der Ton der Parlamentarier untereinander ist mitunter bedenklich. Manche können ihre Wut auf den politischen Gegner nicht mehr zügeln. Auf grobe Rhetorik, wie die AfD sie im Parlament pflegt, muss es harte Repliken geben. Doch wer sich über die AfD empört, sollte selbst die Grenzen kennen.

Der frühere SPD-Chef Martin Schulz fand harte, klare Worte gegen die Rechtspopulisten. Den Fraktionschef der AfD dann aber in deren eigenen Sprachduktus auf den Misthaufen der Geschichte zu wünschen, entwertet die zuvor so geschliffene und zielsichere Kritik – lässt sie gar zum Bumerang werden. Schade.

Die AfD begibt sich ja gerne in die Opferrolle und geriert sich als Außenseiterin, gegen die sich alle anderen verbünden. Ein echtes Bündnis gegen die Rechtspopulisten war am Mittwoch aber nicht auszumachen. Vielmehr überzogen sich auch die anderen Parteien gegenseitig mit Kritik und Vorhaltungen. In diesen Passagen war die Debatte, wie Generalaussprachen sein sollten: kontrovers, lebendig, in Teilen spontan.

Merkel bleibt oberflächlich

Nur die Kanzlerin blieb blass. Es war noch nie ihre Stärke, die eigene Politik mit großen Worten und vorgetragener Leidenschaft zu verteidigen. Die wirklich unangenehmen Themen wie Chemnitz und Köthen streifte sie nur oberflächlich. Den Streit um die Geschehnisse dort auf eine Semantik-Debatte zu reduzieren, ist zu wenig. Und die anderen Themen?

Die Opposition hat recht, wenn sie Merkel vorhält, dass sie zur Notwendigkeit der Digitalisierung vor vier Jahren schon das gleiche gesagt hat und dass eine Erwähnung des Klimawandels nach diesem Sommer angemessen gewesen wäre.

So präsentierte sich das Parlament als ein Abbild der Gesellschaft, was bei gewählten Volksvertretern nicht überraschend ist. Der Debatte fehlte indes der Impuls, wie Deutschland seinen Wohlstand für die nächsten Jahrzehnte sichern kann. Zu viel Nabelschau, zu wenig Konzeptionelles. Die FDP hat das zu Recht mehrfach kritisch angemerkt. Aber wenn die Redner der Liberalen darauf hingewiesen werden, dass sie mehr Verantwortung fürs Land hätten übernehmen können, werden sie giftig.

Nach einem knappen Jahr hat die AfD die Kultur im Bundestag verändert. Die Debatten sind turbulenter, aber auch destruktiver geworden. Das Klima ist gereizt.

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