Korruption in der Medizin Aufräumen in der Grauzone

Wer beim Arzt beobachtet, dass ein anderer Patient versteckt 50 Euro über den Tresen schiebt und dafür bei der Behandlung vorgezogen wird, kann dagegen bald etwas tun.

 Ärzte, die sich für eine bevorzugte Behandlung in bar bezahlen lassen, machen sich in Zukunft nach dem Antikorruptionsgesetz strafbar.

Ärzte, die sich für eine bevorzugte Behandlung in bar bezahlen lassen, machen sich in Zukunft nach dem Antikorruptionsgesetz strafbar.

Foto: dpa

Denn dieses Verhalten könnte nach dem Antikorruptionsgesetz strafbar sein. Mit diesem Gesetz schließt die Bundesregierung eine Regelungslücke, die der Bundesgerichtshof (BGH) 2012 offengelegt hat. Künftig werden auch Hausärzte oder Fachärzte, Psychotherapeuten, Krankenpfleger oder Apotheker bestraft, wenn sie bestechlich sind. "Korruption im Gesundheitswesen untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen", begründet Justizminister Heiko Maas (SPD) die Regelung.

Wenn Patienten krumme Absprachen vermuten, können sie sich entweder an die Kassenärztliche Vereinigung oder ihre Krankenkasse wenden. Im Internet halten beide Einrichtungen entsprechende Meldeformulare bereit. Auch eine anonyme Information ist dabei möglich. "Wir sind verpflichtet, dem Vorwurf nachzugehen", sagt der Sprecher des Spitzenverbands der Krankenkassen (GKV), Florian Lanz. Doch so direkt und offensichtlich, wie im genannten Beispielfall, geht es im Gesundheitswesen nur in den seltensten Fällen zu.

Viel Geld wechselt den Besitzer in einer Grauzone zwischen Arzt und anderen Leistungsträgern im Gesundheitssystem. So bezahlen manche Krankenhäuser Ärzten "Kopfprämien" dafür, dass diese ihre Patienten bei ihnen einweisen. Oder die Praxis kassiert einen Bonus, weil sie Untersuchungsaufträge an ein bestimmtes Labor vergibt.

In dem vom BGH seinerzeit beurteilten Fall hat ein Pharmavertreter Vertragsärzten Prämien für die Verordnung seiner Medikamente bezahlt und diese Belohnung als Honorar für wissenschaftliche Vorträge getarnt. Die Beteiligten blieben aufgrund der Gesetzeslücke seinerzeit straffrei. Künftig müssten sie mit einer Verurteilung wegen Bestechung oder Bestechlichkeit rechnen.

Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für derlei Delikte vor. In besonders schweren Fällen, wenn zum Beispiel das Ausmaß der Korruption sehr groß ist oder die krummen Geschäfte gewerbsmäßig betrieben werden, können Gerichte die Täter sogar bis zu fünf Jahre hinter Gitter schicken. Der GKV begrüßt die Neuregelung. "Wir glauben, dass es zu Veränderungen führen wird", erläutert Sprecher Lanz. Entscheidend für die Strafbarkeit ist nicht die Frage, ob der Mediziner einen Vorteil annimmt, also zum Beispiel das Geschenk eines Patienten für eine gute Therapie. Strafbar ist nur, wenn dafür eine Gegenleistung erfolgt, der Arzt also käuflich ist.

Für die Versicherten, auch die Privatpatienten, könnte sich die Strafandrohung auf zweierlei Weise lohnen. Kranke haben die größere Gewissheit einer guten Behandlung. Denn die Therapie mit Arzneien oder im Krankenhaus wird nur nach dem Bedarf des Patienten bestimmt und hängt nicht von möglichen Zuwendungen der Industrie oder der Kliniken an den Arzt ab. Das ist auch bisher ohnehin nur bei einer kleinen Minderheit der Ärzte der Fall gewesen. Künftig dürften die Zahl der schwarzen Schafe im Berufsstand weiter zurückgehen.

Auch finanziell rechnen Fachleute mit einer Entlastung der Versicherten. Die Bundesregierung schätzt den Schaden durch unlautere Geschäfte im Gesundheitswesen auf jährlich fast zehn Milliarden Euro allein für die gesetzlichen Krankenkassen. Bei deren Ausgaben von 170 Milliarden Euro im Jahr fällt diese Summe erheblich ins Gewicht, auch wenn konkrete Daten dazu fehlen.

Rein rechnerisch könnte der Beitragssatz zur Krankenkasse um 0,8 Prozentpunkte sinken, wenn alle ehrlich handeln würden. Das wäre bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.500 Euro eine Entlastung von je 120 Euro im Jahr für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Allerdings gibt es auch viel Kritik am Antikorruptionsgesetz. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz findet die Reglung allerdings zu lasch.

"Die Schwäche des Maas-Entwurfs besteht darin, dass Polizei und Staatsanwaltschaft in aller Regel nur auf Antrag ermitteln", erläutert die Stiftung. Bei einem Anfangsverdacht müssten die Behörden auch von sich aus tätig werden dürfen. Außerdem fordert die Organisation eine "Transparenz-Offensive", bei der Kooperationen und Finanzflüsse im Gesundheitswesen offengelegt werden. Auch Transparency International (TI) plädiert für diese Verschärfung.

Darüber hinaus schlägt TI vor, einen besonders schweren Tatbestand auch dann festzustellen, wenn "der Täter einen anderen Menschen durch die Tat erheblich gesundheitlich schädigt oder in die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung bringt".

Nun ist der Bundestag gefragt. Im Herbst wird Maas das Gesetz dort einbringen. Im parlamentarischen Verfahren kann sich dann noch einiges ändern. So könnten beispielsweise Kritikpunkte der Verbraucherorganisationen aufgenommen werden. Zum weiteren Vorgehen: Das Justizministerium rechnet damit, dass die Neuregelung im kommenden Frühjahr in Kraft treten kann.

Uniklinik Bonn sieht sich gegen Korruption gewappnet

Für die Uniklinik Bonn ändert sich durch das geplante neue Gesetz nach Angaben des ärztlichen Direktors, Wolfgang Holzgreve, nichts. "An der Uniklinik existieren seit langer Zeit extreme Vorsichtsregeln gegen Korruption", sagte er. Vor allem die Trennung von ärztlicher Behandlung und Einkauf gewährleiste, dass die Industrie keine Kaufentscheidungen von Medikamenten oder Geräten beeinflusse.

Medizinische Studien, an denen die Pharmaindustrie mit sogenannten Drittmitteln beteiligt ist, würden von der Ethikkommission der Klinik auf Unbedenklichkeit überprüft. Prämien für die Überweisungen von Patienten durch Ärzte an andere Ärzte, sogenannte Kick-backs, seien natürlich auch für Kliniken richtigerweise verboten.

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