Prozess in Düsseldorf Angeklagte Bonnerin distanziert sich vom IS

DÜSSELDORF · Die wegen Unterstützung des Islamischen Staates angeklagte Karolina R. sagt im Düsseldorfer Prozess aus und distanziert sich erneut von den Taten des IS.

 Die Angeklagte Karolina R. (Mitte) mit ihren Anwälten Carsten Rubarth (li.) und Peter Krieger. FOTO: DPA

Die Angeklagte Karolina R. (Mitte) mit ihren Anwälten Carsten Rubarth (li.) und Peter Krieger. FOTO: DPA

Foto: dpa-Pool

Und - so lässt sie sich in der jüngsten Vernehmung ein - sie könne nicht ausschließen, dass das Geld und die Kameras, die sie laut Anklage ihrem Mann, einem mutmaßlichen IS-Kämpfer, schickte, nicht nur ihm, sondern auch Kampfgefährten zugute gekommen sein könnten.

In ein traditionelles saudisches Frauengewand gehüllt, sitzt die 26-Jährige vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Richterin Barbara Havliza befragt sie sieben Stunden lang zu ihren zwei Reisen nach Syrien, zu ihrem Verhältnis zum IS und zu ihrem Wissen über die Propagandaaktivitäten ihres Mannes, der via Internet die Werbetrommel für die Terrormiliz rührt. Verständnis und Geduld muss der Senat dabei so manches Mal aufbringen. Insbesondere die Motive der jungen Frau sind für die Richter nicht immer nachvollziehbar. Immer wieder hakt Havliza nach: "Was macht man denn, wenn man in Syrien ist. Bloß zu Hause sitzen und nichts tun?"

Zunächst erzählt Karolina R.: "Mein Bruder und mein Mann waren ja schon in Syrien, ich wollte zu ihnen." Nach einer abenteuerlichen Überfahrt an der türkisch-syrischen Grenze, wo sie im Juni 2013 in einem am Seil hängenden Bottich einen Fluss überquerten, fuhren sie zu einem Dorf, in dem das Ehepaar mit ihrem Baby zunächst ein Haus bezog. Drei Wochen später wechselten sie in ein anderes Dorf. Seinerzeit sei die Lage in dieser Gegend ruhig gewesen, abgesehen von gelegentlichen Flugzeugen über dem Dorf. Sie sei damals viel mit ihrem Baby zu Hause gewesen, so die Angeklagte. Aufgrund von Sprachproblemen habe sie mit niemandem im Dorf gesprochen. Ihr Mann und ihr Bruder seien ab und zu in eine nahe gelegene Stadt gefahren, abends aber nach Hause gekommen. Kämpfe oder Kampftraining habe es zu dieser Zeit nicht gegeben.

Nach Deutschland sei sie dann mit ihrem Sohn zurückgekehrt, weil sie sich für ihre Eltern verantwortlich gefühlt habe, so Karolina R. In Bonn fing sie ein Anerkennungsjahr als Erzieherin in einem Kindergarten an, das sie bald wieder abbrach. In einer Einrichtung mit größeren Kindern habe sie Probleme wegen ihres Kopftuchs gehabt, erklärte sie.

Zu ihrer zweiten Syrienreise im Oktober 2013, wieder mit dem kleinem Sohn, entschloss sie sich, als ihr Mann eine Zweitfrau nehmen wollte. Diese habe zu allem Übel zu ihm ziehen wollen und von ihr, der Erstfrau, Geld für die Hinreise verlangt. "Ich musste vor ihr da sein", erklärt sie. "Kann ich mir denken", meint die Richterin lakonisch. Nach einigen Wochen wurde die zweite "Ehe" nach islamischem Recht wieder geschieden. Kurz vor Weihnachten 2013 kehrte Karolina R. erneut nach Bonn zurück, wo sie im April 2014 verhaftet wurde.

Noch kurz zuvor hatte sie im Internetchat Verständnis für das Vorgehen des IS geäußert. "Sie töten die, die sie töten müssen." Davon distanziert sie sich jetzt. Erst in der Haft habe sie erfahren, was der IS tatsächlich tue. Die Internetbotschaften ihres Mannes habe sie nicht ernst genommen. Sie habe ihm Geld überwiesen und bei der zweiten Reise Kameras mitgebracht. Und ja, sie könne nicht davon ausgehen, dass diese Dinge nur bei ihm geblieben seien. Sie könnten auch seinen "Brüdern" zugute gekommen sein. Mit dieser Aussage liegt nun ein sogenannter Eventualvorsatz vor: Die Angeklagte hat billigend in Kauf genommen, dass Geld und Kameras auch für Kampf und Propaganda eingesetzt worden sein könnten. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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