Iran-Reise „Es ist hervorragend gelaufen“

Teheran · 80 Mittelständler haben NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin in den Iran begleitet. Wie macht man Geschäfte in einer Diktatur? Nicht ohne Zwiespalt, so viel ist sicher. Ansichten einer Handlungsreise.

Wind braust auf, greift in die Kopftücher der Frauen, verwirbelt den Sand über der Geröllhalde. Ockerfarbene Wüste, so weit das Auge reicht. Doch Mohsen Vatankhahi sieht mehr. „Das sind 250 freie Hektar Industriegebiet“, zeigt der Planungschef des iranischen Stadtentwicklungsministeriums auf das Nichts, „große Parzellen für Ihre Großindustrie.“ Eine deutsche Firma wird hier, in der neuen Stadt Parand 40 Kilometer vor der Zwölf-Millionen-Metropole Teheran, bald Solarstrom liefern. Auch die Müllentsorgung soll in die Hände der effizienten Deutschen übergehen. „Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge“, lächelt Vatankhahi. Gemurmel geht durch die Delegation der Unternehmer, die aus NRW angereist sind. Parand wächst – von 180 000 Einwohnern auf 480 0000. All die Menschen, die in die noch leeren Rohbau-Skelette der Hochhäuser ringsum ziehen, werden Maschinen zum Arbeiten brauchen, Wasser, Energie, Möbel, Autos, Waschpulver, Wissen ... alles, was Mittelständler und Manager liefern könnten. Skeptisch blicken sie auf den Sand. Der Wind dreht die Deko-Windräder, eines quietscht laut mit jeder Böe.

Seit im Atomstreit die Sanktionen gegen den Iran reduziert worden sind, geben sich in Teheran Wirtschaftsdelegationen die Klinke hin in die Hand. Mit über 80 Unternehmern bringt NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin die größte Gruppe seiner Amtszeit mit. Das Land ist reich an Öl, Gas und gebildeten Arbeitskräften. Viele Maschinen stammen noch aus Deutschland und müssen nun nach Jahren des Embargos modernisiert werden. Vor allem soll die Wirtschaft wieder anspringen: Präsident und Reformer Hassan Rohani steht unter dem Druck der Hardliner, jetzt auch Ergebnisse zu liefern. Die Inflation liegt bei zehn Prozent, die Arbeitslosigkeit der jungen Generation bei 25 Prozent. Ohne ausländische Investitionen geht es nicht. „Diese ausgestreckte Hand sollte man unbedingt ergreifen“, wird Duin später sagen.

Schon im Bus klingelt das Handy von Goodarz Mahbobi. Der Geschäftsführer des Bonner IT-Beratung Axxessio war am Vorabend allein in seiner alten Heimat Teheran unterwegs gewesen. „Kleine Nostalgietour“, sagt er. Er hat den Iran mit 23 Jahren verlassen. „Alles, was ich damals wollte, war Studieren und Fußballspielen“, erinnert er sich. Militärdienst und Regime haben ihm beides ruiniert. „Diese Jahre waren grau und schwarz“, so Mahbobi, der in Deutschland ganz neu angefangen hat. Jetzt steht er kurz vor Vertragsabschluss für ein Projekt in Teheran und hegt schon neue Ideen: Für die Satellitenstadt Parand würde er gern eine digitale Städtepartnerschaft mit Bonn aufbauen, um bewährte IT-Lösungen der Kommune im Iran zu etablieren. Auch er sieht die Ressourcen, das Wachstum und die Gewinne, die in der Islamischen Republik winken. Doch er weiß nur zu gut, wie schnell der Wind drehen kann – und wie hoch dann die Verluste sind.

Die Macht im Staat hat nicht Rohani, sondern der erzkonservative Wächterrat, der nun ein wenig Öffnung zulässt, um Druck aus der Gesellschaft zu nehmen. Die junge Generation umgeht die Mediensperren für Facebook und BBC, viele haben Kontakte ins Ausland, sie fühlen sich als Europäer. Doch wie lange hält das Tauwetter?

Über 700 Hinrichtungen

7000 Spione sind seit Mai in der Hauptstadt unterwegs; sie sollen der Polizei melden, wenn Frauen im Auto ihr Kopftuch ablegen, zu laut Musik gespielt wird. Über 700 Iraner sind 2015 hingerichtet worden. Das Wolkenkratzer-Hotel Parsian Azadi, in dem die Unternehmer nächtigen, gehörte einst dem US-Konzern Hyatt, bevor er beim Regimewechsel 1979 enteignet wurde. Eine klare Warnung.

Viele der NRW-Unternehmer sind gewiefte Geschäftsleute, die auch in Russland oder China Deals abschließen. Hier kommen sie ins Grübeln. Investieren sie nicht, macht sich die chinesische Konkurrenz noch weiter breit. Investieren sie, stützen sie das System einerseits, aber helfen dem Wandel andererseits. Im schlimmsten Fall verlieren auch sie ihr Geld. Im besten Fall sind Autoteilezulieferer aus Ostwestfalen oder Mittelständler aus dem Rheinland Agenten der Veränderung im Nahen Osten: „Ohne den Iran gibt es keine Stabilisierung der Region“, hatte der deutsche Botschafter Michael von Ungern-Sternberg betont.

Dass sie in diesem Konflikt pro Engagement entscheiden, liegt an den zugewandten Iranern. In keinem anderen Land wird so viel Deutsch gelernt. Die Menschen imponieren den Unternehmern: Da ist der Chef der pharmazeutischen Anlage Modava, in der Bayer produzieren lassen will, und der mit so viel Stolz seine neue Kartonierungsmaschine präsentiert, dass die Deutschen sofort mitfiebern. Da ist die überwiegend weibliche Belegschaft, die eine Autoteile-Fabrik so akkurat wuppt, dass die überwiegend männliche Delegation nur staunen kann. Die Chemie stimmt einfach.

Also setzt sich Jörg Suer, dessen Firma aus Wermelskirchen 20 000 Fahrzeugteile vertreibt, ins Taxi und klappert mögliche Kunden ab. Also setzt sich Andreas Lohaus ins Taxi, um Künstler und Galeristen für die ArtFair, Deutschlands drittgrößte Kunstmesse in Köln, abzuklappern. „Es ist hervorragend gelaufen“, resümiert er später, „schon bei der nächsten Vernissage im Oktober sind iranische Künstler und Galeristen vertreten.“ Auch Jörg Suer schwärmt von „großartigen Plänen“. Eine Handvoll Produkte wird er im iranischen Markt unterbringen. Er steht kurz vor Vertragsabschluss: „Ich komme so schnell wie möglich wieder her“, sagt er. Derweil sind in Parand die Grundstückspreise über Nacht nach oben geklettert. Weil die Deutschen interessiert sind, heißt es, kann man mehr verlangen.

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