Bertelsmann verteidigt sich „Einfluss über Hintertreppen“

Düsseldorf · Die enge und weitreichende Zusammenarbeit der NRW-Landesregierung mit Bertelsmann wirft Fragen auf. Bertelsmann weist darauf hin, dass Konzern und Stiftung voneinander getrennte Institutionen seien.

 Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, l) und Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, l) und Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Foto: picture alliance / dpa

Der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlok sagt dazu: „Der Willensbildungsprozess muss demokratischen Prinzipien folgen und darf niemandem Einfluss über Hintertreppen ermöglichen.“ Einzig, wenn es um technische Hilfestellungen geht, sei nichts dagegen einzuwenden, wenn Staatsaktivitäten auf private Unternehmen übertragen würden. Hole sich eine Regierung externen Sachverstand ein, stelle sich auch die Frage, warum sie nicht auf eigene Expertise zurückgreifen könne.

Eine Große Anfrage der Piraten-Fraktion im Landtag hatte ergeben, dass die jeweiligen Landesregierungen seit über 15 Jahren auf zahlreichen Feldern mit der Bertelsmann-Stiftung und dem Bertelsmann-Konzern zusammenarbeiten. Die Kooperation erstreckt sich der Antwort der Landesregierung zufolge auf Themen wie Schule, Hochschule, Bürokratieabbau, Kommunalaufsicht oder Verschuldung.

Eine der wichtigsten Kooperationen betrifft seit 2009 die Staatskanzlei. Dort bearbeitet die Bertelsmann-Tochter Arvato in einem Service-Center als erster Ansprechpartner einen Großteil der Bürgeranfragen. Ein Service, den Arvato eigenen Angaben zufolge für keine andere Landesregierung übernommen hat. Zum Vergleich: In der bayerischen Staatskanzlei etwa arbeiten für den Bürgerservice „ausschließlich“ eigene Mitarbeiter. Sehr eng ist die Zusammenarbeit auch mit der Bertelsmann-Stiftung beim Projekt „Kein Kind zurücklassen!“ (KeKiz). Zwischen 2011 und 2016 kam es allein wegen dieses Vorhabens zu über 60 Treffen zwischen Vertretern der Stiftung und der Staatskanzlei.

Es sei zwar nicht grundsätzlich problematisch, wenn staatliche Stellen auf privaten Sachverstand zurückgriffen, sagte Christoph Degenhart, im Oktober 2016 emeritierter Staatsrechtler der Universität Leipzig und Verfasser staatsrechtlicher Standardwerke. „Ich bin aber erstaunt über den Umfang der Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und Bertelsmann – über die Vielzahl der durchgeführten Projekte ebenso wie über die Anzahl der Gutachten und den Grad der personellen Verflechtung.“ Bertelsmann wies darauf hin, dass Konzern und Stiftung voneinander getrennte Institutionen seien, die eigenständig arbeiten. Die Tochter Arvato habe in EU-weiten Ausschreibungen 2009 und 2012 den Betrieb des Service Centers gewonnen. Die Stiftung erklärte, sie arbeite sowohl beim Projekt KeKiz als auch bei anderen Projekten operativ unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral. Bei KeKiz handele es sich um eine Kooperation zweier unabhängiger Partner, in die sowohl das Land als auch die Stiftung Mittel eingebracht hätten.

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