Interview mit Politologe Werner Patzelt „CDU hat sich fast unangreifbar gemacht“

Parteienforscher Werner Patzelt erklärt, warum die Union für den Machterhalt alles tut und welche Rolle Bundeskanzlerin Angela Merkel dabei spielt.

 Werner Patzelt, Politikwissenschaftler.

Werner Patzelt, Politikwissenschaftler.

Foto: dpa

Wie erklären Sie sich, dass die Union in Umfragen wieder bei fast 40 Prozent liegt?

Werner Patzelt: Die Öffnung der deutschen Grenzen und Kanzlerin-Aussagen, dass man gegen Zuwanderung nichts tun könne und wolle, kamen bei der Bevölkerung nicht gut an. Davon erschreckt, machte die CDU eine Wende um mindestens 150 Grad: Jetzt wird versprochen, die Zuwanderung zu begrenzen und Flüchtlinge ohne Bleiberecht abzuschieben. Außerdem ist Zuwanderung als Problem in den Medien nicht mehr prominent.

Das hilft der CDU?

Patzelt: Ja. Im Übrigen hat sie sich dank ihrer „Sozialdemokratisierung“ seitens linker Parteien fast unangreifbar gemacht. Mit der Öffnung der Ehe für Homosexuelle hat sie auch noch das letzte Thema abgeräumt, bei dem Grüne und SPD sie hätten angreifen können. Also Entwarnung an fast allen Fronten, außer gegenüber der AfD.

War der Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik eine Reaktion auf das Erstarken der AfD?

Patzelt: Zum Teil. Vor allem war das eine Reaktion auf die Wirklichkeit: Sozialsysteme und Zivilgesellschaft hätten es einfach nicht ausgehalten, wenn bis heute jeden Monat 100 000 Flüchtlinge ins Land gekommen wären. Jetzt ist Konsens, dass sich so etwas wie 2015/16 nicht wiederholen darf. Diese Forderung hatte man vorher exklusiv der AfD überlassen.

Ist die AfD keine Konkurrenz mehr?

Patzelt: Nicht mehr wirklich. Erstens hat die Union auf den Erfolg der AfD reagiert. Zweitens hat die AfD abschreckenden innerparteilichen Streit geliefert und nicht den Erfolg versprechenden Weg zu einer bundesweiten CSU eingeschlagen. Eine „NPD light“ aber findet nicht viel Anklang. Unterm Strich hat unsere Demokratie ordnungsgemäß funktioniert: Gibt es Probleme, um die sich die Politik nicht plausibel kümmert, so formiert sich eine Protestpartei, setzt die Etablierten unter Druck und bewirkt Politikveränderungen.

Wie hat sich die Partei unter der Führung Merkels verändert?

Patzelt: Sehr stark. Wer hätte sich früher von der CDU eine bedingungslose Öffnung unserer Grenzen, die Aussetzung der Wehrpflicht oder den Ausstieg aus der Kernenergie vorstellen können? Angela Merkel lässt sich einfach nicht auf Kämpfe ein, bei denen Niederlagen drohen. Das aber nimmt der politischen Konkurrenz die Gelegenheit zum Siegen und macht sie hilflos, ja wütend – bis zum Vorwurf, diese Art von Alternativlosigkeit wäre ein Anschlag auf die Demokratie.

Mit welcher Strategie geht die Union in den Wahlkampf?

Patzelt: Fährt denn die CDU eine Strategie? Sie hat eine erfolgreiche Taktik: auf Sicht fahren und die dringenden Probleme so angehen, dass der Opposition keine wählerattraktive Alternative einfällt. Angeleitet wird das vom Willen, unbedingt zu regieren, und der Bereitschaft, dafür nötige Kröten eben zu schlucken. Die Linke wurde so um ihre Machtperspektiven gebracht. Zwar wirkt auf etliche nun die CDU als zu links. Viele davon wählen sie aber dennoch, weil die CSU als verlässliches Korrektiv gilt.

Mit wem könnte die CDU regieren?

Patzelt: Wenn es reicht, mit der FDP. Wenn nicht, kommt eine Koalition mit FDP und Grünen, falls die Letzteren sich trauen.

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