Country-Legende Johnny Cash Der Ton des vergessenen Albums klingt kämpferisch

John Carter Cash greift ziemlich hoch, wenn er das "neue" Album seines 2003 gestorbenen Vaters Johnny mit einem Van-Gogh-Fund auf dem Dachboden vergleicht.

 Johnny Cash nach seinem Comeback: 1994 spielte er beim Jazzfestival Montreux.

Johnny Cash nach seinem Comeback: 1994 spielte er beim Jazzfestival Montreux.

Foto: dpa

Umgekehrt jedoch wird man von "Out Among The Stars" äußerst angenehm enttäuscht, wenn man bei posthumen Veröffentlichungen generell eine krude Mischung aus Leichenfledderei und Geldschneiderei erwartet.

Nein, diese zwölf zwischen 1981 und 1984 aufgenommenen Songs purzeln nicht von der Resterampe, sondern sind das Dokument einer hochproblematischen Zwischenphase. Anfang der 80er, Cash kämpfte mit Alkohol- und Tablettensucht, galt er den Plattenbossen allmählich als Auslaufmodell, dem Columbia tatsächlich 1986 den Vertrag kündigte. So blieben die Bänder mit den Songs fast 30 Jahre lang im Regal. Zu Recht?

Keineswegs, denn der "Man in Black" zeigt sich hier künstlerisch durchaus kämpferisch. Der Titelsong gefällt als existenzialistisch angehauchte Outlaw-Ballade, und zwei Duette mit seiner Ehefrau lassen die Einzigartigkeit dieser krisengehärteten Musikerehe ahnen. June stand bei der Einspielung von "Baby Ride Easy" zu weit vom Mikro entfernt, so dass der Refrain nun von Tochter Carlene neu eingesungen werden musste, doch dies tut dem Charme dieser Aufnahme keinen Abbruch.

Zwar gibt es mit "Tennessee" hier auch ein geradezu schaurig-schön in Schmalz gehauenes Country-Denkmal, aber dies bleibt der einzige wirkliche Ausfall. Ansonsten gibt es Reminiszenzen an verflossene Geliebte, wobei der Abgesang mal wehmütig ("She Used To Love Me A Lot"), mal zynisch ("Call Your Mother") ausfallen konnte.

Der rasante Hillbilly-Galopp "I'm Movin'" mit Waylon Jennings nimmt schon die kurz nach dieser Aufnahme beginnende Zeit der "Highwaymen" vorweg, während "I Came To Believe" zu den schön-schlichten Bekehrungssongs von Cash zählt. Der riskanteste Titel ist gewiss "I Drove Here Out Of My Mind".

Da wird die abtrünnige Herzallerliebste zu einer letzten Fahrt im zuvor heiß ersehnten Cadillac eingeladen, die dann allerdings unter dem Hohngelächter des Fahrers krachend über die Klippe geht. Insgesamt vertraut dieses vom Traditionalisten Billy Sherrill produzierte Album mit seinen Steel Guitar-, Fiddle- und Banjoklängen noch dem klassischen Country, der jedoch keineswegs museumsreif klingt.

Dennoch ist es auch für Cash-Fans schwer, jetzt wieder von jenem karg-faszinierenden Hochplateau zu steigen, das der Sänger in den "American Recordings" von Rick Rubin erreichte. Da war aller Nashville-Talmi weggeschmolzen, und der düstere Prediger sang sein Testament mit einer Stimme wie brüchige Steinkohle. Doch wer es schafft, das grandiose Spätwerk auszublenden, hört "Out Among The Stars" (Sony/Legacy) durchaus mit Vergnügen.

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