Künstlerverehrung in Frankreich Essoyes rückt Renoir ins Licht

Essoyes · Zehn Jahre war der französische Künstler in Essoyes zu Hause. Wie er lebte und arbeitete, ist dort jetzt zu besichtigen.

 Ein Poster des Bildes „Gabrielle und Jean“ schmückt eine Hauswand in Essoyes.

Ein Poster des Bildes „Gabrielle und Jean“ schmückt eine Hauswand in Essoyes.

Foto: holzer

Es muss eine Qual für den älteren Herrn im Rollstuhl gewesen sein, mit der Hilfe eines Bediensteten über die Treppen in sein Atelier hinauf und später wieder hinunter zu gelangen. Doch hier fiel das Licht hell und klar herein. Und war er erst einmal oben, blieb er lange, um wie besessen zu arbeiten. „Es gab ein paar Tage in seinem Leben, an denen er nicht gemalt hat. An diesen Tagen war er sehr unglücklich“, soll einer der Söhne von Pierre-Auguste Renoir gesagt haben.

Diese künstlerische Leidenschaft bis ins hohe Alter, selbst als man ihm aufgrund seiner rheumatoiden Arthritis den Pinsel an den Fingerspitzen festbinden musste, erklärt die hohe Produktivität des französischen Impressionisten, der bis zu 6000 Werke hinterließ. „Insgesamt malte er so viele Bilder wie Édouard Manet, Edgar Degas und Paul Cézanne zusammen“, sagt Coralie Delauné, Fremdenführerin des Renoir-Informationszentrums in Essoyes.

Die Gemeinde in der Champagne-Region bietet jetzt einen Renoir-Rundgang an, der durch die Ortschaft führt mit Stationen in seinem ehemaligen Haus und Atelier, am Renoir-Informationszentrum und an dem Friedhof, wo er neben seiner Frau begraben liegt. Rund zehn Jahre hat der Künstler in Essoyes verbracht, Dorfbewohner und -ansichten gemalt und viele seiner Porträts. Vor allem jene von Gabrielle, dem Kindermädchen seines zweiten Sohnes Jean: Rund 700-mal bildete Renoir die junge Frau ab, die jene lebendige Natürlichkeit der Landfrauen ausstrahlte, die er suchte.

Umzug aus Liebe

In ihrem Heimatort Essoyes ein Haus zu erwerben, war ein lang gehegter Traum seiner Frau Aline. Die 18 Jahre jüngere Näherin hatte der Maler in Paris kennengelernt, als er noch in seinem Atelier im Künstlerviertel Montmartre malte und ein Bohème-Leben führte. Ihr zuliebe erstand er 1896 das Anwesen für 4000 Franc – für dieselbe Summe hatte Renoir, dessen Karriere gerade in Schwung gekommen war, dem französischen Staat sein Bild „Mädchen am Klavier“ verkauft. Weitere 4000 Franc steckte das Paar in Umbauarbeiten, um ein großzügiges Landhaus zu gestalten. Die drei gemeinsamen Söhne wuchsen teilweise hier auf, die später selbst künstlerische Wege einschlagen sollten: Pierre wurde Schauspieler, Jean ein gefeierter Regisseur und Claude Keramikkünstler. Nach ein paar Jahren kaufte Renoir noch eine benachbarte Parzelle, auf der er sein Atelier errichten ließ, um, wie er sagte, „die Kinder nicht beim Spielen zu stören“. Vielleicht war es auch andersherum.

Später ging das Haus in den Besitz des Erstgeborenen Pierre über und gehörte zuletzt dessen Enkelin Sophie. Als sie es 2012 verkaufte, gab sie der Gemeinde Essonnes den Vorrang, die so der Öffentlichkeit sehr persönliche Einblicke in den Alltag des Malers verschaffte. Das Mobiliar ist rustikal, so wie Renoir es liebte, und stammt zumindest aus der Zeit, als er hier lebte. So kann der Besucher die ländlich-idyllische Atmosphäre nachempfinden, in der Renoir eine Kunstrichtung vorantrieb, die heute etabliert erscheint. „Der Impressionismus galt als revolutionär, weil er mit bis dahin gängigen Vorgehensweisen brach“, sagt die Renoir-Spezialistin Coralie Delauné. „Thematisch wurde ganz Alltägliches behandelt. Aber es war eine technische Neuerung, dass der Zuschauer zurücktreten musste, um die Vermischung der Farbstriche als Ganzes betrachten zu können.“ Erfolg hatte Renoir erst ab den 1890er Jahren, als er begann, in die USA, nach Kanada und Japan zu verkaufen. Gemeinsam mit Claude Monet war er der einzige Maler, dessen Werke bereits zu Lebzeiten im Louvre ausgestellt wurden.

Um in Essoyes dieses kulturelle Erbe klug für sich zu nutzen, haben zehn Champagner-Hersteller aus der Umgebung mit Önologen „Renoir-Champagner“-Sorten geschaffen, die auf Gemälde anspielen. Großflächig prangen diese zudem in der Ortschaft, wo der Meister auch 99 Jahre nach seinem Tod allgegenwärtig bleibt. Sein Haus ist übrigens leicht zu finden: Rue Auguste Renoir, Nummer 42.

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