Film "Ludwig II." An der Wirklichkeit zerschellt

Majestät soll ein ewig' Rätsel bleiben", meint der König. Da hat Ludwig II. längst jede Hoffnung aufgegeben, zu Lebzeiten verstanden zu werden. Schon der Jüngling ist ein Schwärmer, träumt von der Musik als weltverbessernder Himmelsmacht, während sein jüngerer Bruder Otto begeistert das neue Armee-Gewehr krachen lässt.

 Traum von der Musik als weltverbessernder Himmelsmacht: Sabin Tambrea als König Ludwig II.

Traum von der Musik als weltverbessernder Himmelsmacht: Sabin Tambrea als König Ludwig II.

Foto: Warner

"Nichts als Schwäche" vermutet König Maximilian II. in der Kunstliebe des Sohns, den er durch seinen frühen Tod geradezu auf den Thron hetzt. Spätestens in dieser Szene des Films "Ludwig II.", der am Donnerstag ins Kino kommt, weiß man, welcher Geniestreich dem Regieduo Peter Sehr und Marie Noëlle mit der Wahl seines Hauptdarstellers glückte: Sabin Tambrea lässt Ludwig vor Versagensangst zittern und in ästhetischen Wonnen schwelgen - sinnfälliger als in diesem überspannten, emotional leicht entflammbaren Mann hat man die Unvereinbarkeit von Talent und Leben kaum je gesehen.

Theatermime Tambrea bewarb sich mit einem iPhone-Video für die Rolle und legt sich so immerhin mit Ludwig-Vorgängern wie O.W. Fischer und Helmut Berger an. Keine Chance? Von wegen! Allein seine nervöse Trockenübung für die Thronrede ist ein meisterhaftes Kabinettstück.

Diese Anfangssequenzen mit der Kollision von utopischen Idealen und scharfkantiger Realität zählen zu den stärksten des Films, der meist sicher zwischen historischer Treue und kühnem Psychogramm balanciert.

In seiner ersten Amtshandlung rollt der junge König seinem Idol Richard Wagner den roten Teppich aus und öffnet das Staatssäckel weit für dessen formatsprengende Projekte. Edgar Selge gibt dem Komponisten etwas Handfest-Intrigantes, das schließlich die Geduld des Bayernvolks überstrapaziert. Wagners erzwungene Vertreibung ist der erste große Bruch in Ludwigs Leben, dem viele folgen: als er 1866 mit gerade 20 Jahren die Mobilisierung der Armee gegen Preußen befiehlt, geht er fast an diesem Verrat seiner Friedensvisionen zugrunde.

Insgesamt bleibt die Politik mit statuesken Kurzauftritten von Napoleon III. und Bismarck eher unterbelichtet, während der private König um so schärfer in den Fokus rückt: die gescheiterte Hochzeit mit Sophie (Paula Beer), die schockartige Erkenntnis seiner homosexuellen Neigungen gegenüber Richard Hornig, den er fortan fast panisch auf Abstand hält.

Spiegelt Christian Bergers Kamera anfangs furios den überrumpelnden Schwung des jungen Königs, der mit seinem Ross sogar übers Wasser sprengt, so hält er dessen zunehmende Flucht in Prunkschlösser und goldstrotzende Kutschen in starren Tableaus fest. Fast scheint Ludwig im Versailles-Wahn von Hermelinmänteln und Brokatjacken erdrückt zu werden.

Langsam enthüllt Tambrea die Schattenseiten des "Märchenkönigs", die Eitelkeit und Arroganz des Neuschwanstein-Eremiten. Der Zeitsprung zum irren Dekadenzler, den Sebastian Schipper spielt, fällt dann allzu groß aus. Überhaupt glückt nicht alles: Auf chargierende Auftritte von Katharina Thalbach als Königsmutter oder Uwe Ochsenknecht als Prinz Luitpold hätte man gern verzichtet.

Dennoch: Dieser keineswegs devote Film rührt von den Jugendträumen bis zum Ertrinken im Starnberger See an die Aura eines Einzigartigen. Mag er in vielem gescheitert sein - das ewige Rätsel wird er bleiben.

Ab Donnerstag, 27. Dezember, im Kino.

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