"Achtzehn Hiebe" Assaf Gavron bringt in seinem Roman Historie und Leidenschaft zusammen

Bonn · Der israelische Autor Assaf Gavron bringt mit Eitan Einoch den Helden seines vorherigen Romans zurück und schafft damit ein spannendes Werk über den Nahostkonflikt, das trotz seiner Fiktion viele historische Verweise enthält.

 Assaf Gavron erzählt Eitan Einochs Geschichte weiter.

Assaf Gavron erzählt Eitan Einochs Geschichte weiter.

Foto: Dirk Bleicker

Der israelische Autor Assaf Gavron hat 2006 einen durch und durch faszinierenden Roman über den unglaublichen Alltag in Israel während der zweiten Intifada verfasst. Einen Alltag, der von Attentaten geprägt ist und vom stoischen, ironischen, fatalistischen Umgang damit. 2008 kam das Buch unter dem sarkastischen Titel „Ein schönes Attentat“ in Deutschland heraus.

Ein spannendes Werk über den Nahostkonflikt voller origineller Denkanstöße und mit einem sympathischen Helden: Eitan Einoch, ein Yuppie, der drei Attentate überlebt, der von den Medien als „Das Krokodil“ glorifiziert und vereinnahmt wird. Er recherchiert die Hintergründe, kommt auf die Spur des palästinensischen Attentäters. Der 49-jährige Autor lässt diesen Eitan Einoch in seinem neuen Roman wieder auftreten. In „Achtzehn Hiebe“ erleben wir das Krokodil als Taxifahrer, Spurensucher und Hobbydetektiv. Ein Jahrzehnt ist zwar seit den heißen Tagen der Intifada vergangen, Einoch ist aber immer noch so etwas wie ein Held.

Spektakulär und informativ

Doch der Alltag ist vorerst weniger spektakulär. Aber äußerst informativ. Der Leser rauscht gewissermaßen auf dem Rücksitz von Einochs Taxi durch Tel Aviv, erfährt Wissenswertes über die Straßennamen und lernt die 85-jährige Passagierin Lotta Perl kennen. Mit dem Taxi vom Krokodil fährt sie zu dem Grab von Eddie O'Leary. Als junge Frau war Perl in O'Leary verliebt gewesen, das Paar trennte sich, fand kurz vor seinem Tod wieder zusammen. Lotta Perl hat den Verdacht, dass ihr Geliebter ermordet wurde, und bittet Einoch, die Ermittlungen aufzunehmen.

Der Taxifahrer schlittert mit seinem Kompagnon in einen komplizierten Kriminalfall, der zwar im Seniorenmilieu angesiedelt ist, seine Wurzeln aber in der britischen Mandatszeit hat. O'Leary war Lastwagenfahrer der britischen Armee, sein Freund James Wilshere war Soldat. Die Briten O'Leary und Wilshere bildeten zusammen mit den jüdischen Mädchen Lotta Perl und Ruti Spielman ein Liebesquartett in politisch äußerst brisanten Zeiten.

1920 war Palästina britisches Mandatsgebiet geworden. Bald fanden sich die Briten im Spannungsfeld zwischen Zionisten und Palästinensern. Einwanderungswellen insbesondere nach der Machtergreifung der Nazis 1933 verschärften das Klima. Zwar statteten die Briten die Haganah, die paramilitärische Organisation der jüdischen Siedler, mit Waffen aus, doch die Spannungen insbesondere zwischen militanten Juden und der britischen Mandatsmacht wuchsen.

Verbotene Liebe

Im Jahr 1946, als sich Lotta und Eddie, Ruti und James ineinander verliebten, waren derlei Beziehungen zwischen Briten und Juden beiderseits nicht gerne gesehen. Die Sache eskaliert auch im Roman, wobei die Ursache für einen so peinlichen wie brisanten Eklat eher privater Natur – die Wirkung aber eminent politisch ist. So weit die Fiktion.

Was 1946 passierte, warum es passierte und das Leben der vier involvierten jungen Menschen veränderte, kommt erst ans Licht, als Lotta Perl als Mittachtzigerin die ganze Geschichte erzählt und damit eine wahre Kettenreaktion auslöst. Gavron gelingt es in diesem vielleicht etwas zu lang geratenen Roman, Historie und Leidenschaft zu einem durchaus spannenden Stoff zusammenzubringen. Wunderbar, wie er das ehemalige Liebesquartett charakterisiert, wie er Eitelkeiten, Aversionen und Mordgelüste auf die Spitze treibt. Schön auch, wie Gavron seinem 44-jährigen Protagonisten Einoch ein gar nicht unkompliziertes Eigen- und Sexualleben gibt. Mal sehen, welchen Fall das Krokodil in einem hoffentlich folgenden Roman löst.

Assaf Gavron: Achtzehn Hiebe. Aus dem Hebräischen von Barbara Linner. Luchterhand 415 S., 22 Euro.

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