„Stärker als die Zeit“ Udo Lindenbergs neue CD: Hut ab!

BONN · Es ist nie zu spät, um noch einmal durchzustarten: Udo Lindenbergs neues Album „Stärker als die Zeit“ bietet den gewohnten Mix aus suggestiven Balladen und flotten Panikrock-Nummern. Und starke Texte.

 Nachtigall aus Panikhausen: Udo Lindenberg 26. April in Hamburg.

Nachtigall aus Panikhausen: Udo Lindenberg 26. April in Hamburg.

Foto: dpa

Einer wie er hat mehr im Blick als nur die Gegenwart, das Hier und Jetzt. Udo Lindenberg, der dank ungesunder Lebensweise schon öfter mit dem Tod geflirtet hatte, machte vor zehn Jahren einen Deal mit sich selbst: „Cleane Zeiten, nur noch gelegentliche alkoholische Kurzurlaube, als Sportskanone meinen Body wieder bühnenfit machen, und die Erfahrungen der harten Zeiten poetisch nutzen, als inhaltlichen Zündstoff für so 'ne Art Comeback.“

2008 meldete er sich mit „Stark wie Zwei“ wie Phönix aus der Flasche zurück. Das Album war künstlerisch wertvoll und kommerziell ein Triumph. Es folgten umjubelte Auftritte in großen Arenen, eine Stadiontour: ein Comeback fürs Guinnessbuch der Popgeschichte. Am 17. Mai wird Lindenberg 70, heute erscheint sein neues Album „Stärker als die Zeit“. 15 neue Songs, wieder produziert von Andreas Herbig. Kühne Kritiker haben Herbig mit der US-Produzentenlegende Rick Rubin verglichen. Rubin hat mit Johnny Cash und Neil Diamond Altersmeisterwerke erarbeitet.

„Stärker als die Zeit“ bietet musikalisch betrachtet keine Überraschungen. Der Mix aus suggestiven Balladen und flotten Panikrock-Nummern gehört zum Sänger wie Hut, Sonnenbrille und 911er Porsche Turbo (mit Öko-Hybrid-Schub und 580 PS). Doch sind dem Verseschmied Lindenberg und seinen textqualitätsbewussten Koautoren für eine Reihe von Songs Zeilen eingefallen, die Klasse haben. Sie erzählen vom Alleinsein, vom Älterwerden und vom Tod: ohne Larmoyanz, mit gebotenem Pathos, manchmal auch mit heiterer Gelassenheit.

„Es geht nicht immer geradeaus / Manchmal geht es auch nach unten / Und das, wonach du suchst / Hast du noch immer nicht gefunden“, singt Lindenberg in dem Lied „Durch die schweren Zeiten“. Es ist eine lakonische Kurzgeschichte, ein Gleichnis vom Auf und Ab menschlicher Existenz. Schickt dich das Schicksal auch auf die Bretter, du musst immer wieder aufstehen, lautet die Botschaft.

Sie ist in dem von optimistischen Tönen getragenen Refrain aufgehoben: „Ich werd' dich begleiten / Denn es ist nie zu spät / Um noch mal durchzustarten / Wo hinter all den schwarzen Wolken / Wieder gute Zeiten warten.“ Kontrastprogramm: „Der einsamste Moment“. Lindenberg malt in dreieinhalb Minuten aus, wie einsam sich ein Musiker fühlt, kurz bevor er auf die Bühne tritt, um 50 000 Menschen zu unterhalten.

Der andere Udo, Udo Jürgens, kannte dieses niederdrückende Gefühl – und die innere Leere nach den Liveauftritten. Am 20. Mai, kurz nach seinem 70., startet Lindenberg abermals eine Stadiontour mit 14 Terminen.

Der im westfälischen Gronau geborene ewige Hamburger hat auf dem neuen Album auch ein Wort für den Sensenmann übrig. „Wenn die Nachtigall verstummt“ ist ein vorweggenommener Nachruf. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Nachtigall, also Lindenberg, einmal verstummen sollte, bewege sich die Nation im Trauermodus: „Wenn die Nachtigall verstummt, geht ganz Deutschland schwer vermummt, um zu trauern, um zu weinen, in schwarzen Tüchern und in Leinen.“

Stücke wie diese machen den Rang von „Stärker als die Zeit“ aus. In „Mein Body und ich“, einem Zwiegespräch mit dem eigenen Körper, bekennt das lyrische Ich, es habe geraucht wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch; auch die chemischen Keulen törnten sehr gut an. Realistisches Fazit: „And're hätten bei so 'nem Leben / Längst den Löffel abgegeben.“

Der Titelsong „Stärker als die Zeit“, mit Orchester in den Abbey Road Studios in London aufgenommen, erscheint im „Paten“-Gewand zu der Musik von Nino Rota. Themen des Liedes: Seelenverwandtschaft, große Träume, eine Familie, die stärker ist als Tod und Zeit. Don Udo hat gesprochen.

Udo Lindenberg: Stärker als die Zeit. Warner.

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