Mozarts "Don Giovanni" in Köln

Don Giovanni ist im elektronischen Zeitalter angekommen. Laufenbergs Regie hinterlässt einige Fragezeichen. Der Klang des Gürzenich-Orchesters ist vom ersten d-Moll-Tutti der Ouvertüre an unglaublich präsent.

 Party mit Burka: Don Giovanni (Christopher Maltman) und Zerlina (Claudia Rohrbach) wagen ein Tänzchen.

Party mit Burka: Don Giovanni (Christopher Maltman) und Zerlina (Claudia Rohrbach) wagen ein Tänzchen.

Foto: Forster

Köln. Don Giovanni ist im elektronischen Zeitalter angekommen.

Sein Diener Leporello, der im 18. Jahrhundert noch die Liste der Eroberungen seines Herrn umständlich in einen Katalog eintragen musste, verwaltet sie nun komfortabler - zumindest in Uwe Eric Laufenbergs Kölner Neuinszenierung der Mozart-Oper - in seinem iPhone.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopDonna Elvira ist natürlich entsetzt, aber zugleich auch ziemlich beeindruckt von den unzähligen Namen, die Leporello herunterscrollt, von den flächendeckenden Markierungen auf den Stadtplänen, und den vielen, vielen Fotos, die ihr Leporello vom iPhone aus über einen Beamer auf die weiße Wand des schicken, von einem großen Bett dominierten Appartements seines Herrn projiziert (Bühne: Gisbert Jäkel, Video: Gil Sperling).

Don Giovanni lebt in verschwenderischem Luxus, den er per Kamerasystem überwachen lässt. Er und vor allem sein Diener sind jedenfalls immer bestens über jede Bewegung im Hause informiert, so dass Leporello sogar ziemlich genau verfolgen kann, was zwischen Donna Anna und seinem Herrn passiert.

Kölns Opernintendant weiß diese technischen Hilfsmittel überraschend organisch in sein Regiekonzept einzubinden.

Er inszeniert den "Don Giovanni" mit leichter Hand, ein bisschen boulevardesk vielleicht, mit vielen Gags und auch gelegentlichen Albernheiten: Don Giovannis Ständchen im zweiten Akt "Deh, vieni alla finestra" singt der Frauenheld nicht unterm Fenster der Angebeteten, sondern ins Handy.

Der Kölner Don Giovanni ist längst niemand mehr, der sich gegen moralische Standards auflehnt, die es im 21. Jahrhundert so freilich auch nicht mehr gibt, er ist kein Revolutionär, sondern ein Zeitgenosse, der seine hedonistische Lebensweise nur erfolgreicher und radikaler auslebt als andere.

Das Charisma dieses Mannes macht nicht nur Frauenherzen schwach, sondern vermag auch die Massen zu bewegen. Wenn Don Giovanni zu Beginn der Ballszene sein "Viva la libertà" ausruft, löst er damit eine regelrechte Orgie aus, in der viel nackte Haut zu sehen ist, die aber Mozarts subtile musikalische Tanz-Montagen an dieser Stelle eher unberücksichtigt lässt.

Und aus einem weiteren Grund wirkt diese freizügige Szene wenig überzeugend:

Denn die Magd Zerlina, deren bäuerliche Hochzeitsgäste Don Giovanni ursprünglich in sein Schloss lädt, entstammt in Laufenbergs Inszenierung einem sehr traditionellen türkischen Milieu, das alle Klischees brav erfüllt. Angefangen beim Kopftuch bis hin zu einem aus Eifersucht brutal zuschlagenden Mann.

Dass sich Don Giovannis racheerfülltes Verfolger-Trio Anna, Ottavio und Elvira hier verhüllt unter schwarzen Burkas (Kostüme: Antje Sternberg) unters Volk mischen kann, ist wiederum ein hübscher Regieeinfall.

Musikalisch ist die Kölner Neuproduktion großartig. Markus Stenz gelingt hier der vielleicht beste Abend der laufenden Saison. Der Klang des Gürzenich-Orchesters ist vom ersten d-Moll-Tutti der Ouvertüre an unglaublich präsent.

Stenz wählt sehr zügige Tempi, die er durch durch feinste Temponuancierungen immer wieder emotional auflädt. Mit dem Bariton Christopher Maltman hat man einen der zurzeit gefragtesten Interpreten der Titelpartie zur Verfügung.

Der Bariton stattet den Kavalier stimmlich mit wunderbaren Farben aus und spielt als Darsteller die gesamte Bandbreite zwischen verführerischem Charme und brutaler Rücksichtslosigkeit aus.

Die Sopranistin Simone Kermes überwältigt in der Partie der Donna Anna mit perfekter Technik und enormer Expressivität. Maria Bengtsson zeigt mit warmen Mezzo-Tönen als Donna Elvira echte Leidensfähigkeit.

Mikhail Petrenko (Leporello) und Wolf Matthias Friedrich (Masetto) überzeugen in ihren Bariton-Partien ebenfalls. Claudia Rohrbachs Zerlina ist schlichtweg hinreißend, und Mirko Roschkowski betört in der szenisch ein wenig undankbaren Partie des Don Ottavio durch berührend lyrische Tenor-Arien.

Den ermordeten Komtur, der im 21. Jahrhundert kein steinerner Gast ist, sondern wohl eher eine Halluzination des Bösewichts, stattet Nikolai Didenko mit bedrohlich voluminösem Bass aus.

In den Premierenjubel mischten sich nur einige wenige Buhs für das Regieteam.

Die nächsten Termine: 2., 4., 8. und 11. Juli. Wird ab September wiederaufgenommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort