Theater Bonn "Metropolis" setzt auf Puppen

BONN · Als ich das erste Mal meiner lebensgroßen Puppe begegnet bin, war das schon irgendwie erschreckend", erzählt Mareike Hein lächelnd. "Sie wirkte so wahnsinnig vertraut" - und war doch noch leblos.

Ganz anders wird dies bei der Aufführung von "Metropolis" sein, jenem Stück nach dem monumentalen Stummfilm von Fritz Lang, das heute in der kernsanierten Halle Beuel seine Premiere feiern wird. Dort spielen neben echten Akteuren eben jene Puppen, die das Gesicht der einzelnen Ensemble-Mitglieder haben, eine tragende Rolle.

Vor allem die Mareike Heins: Die 26-Jährige übernimmt die Rolle der Arbeiterführerin Maria, nach deren Abbild der geniale Erfinder Rotwang seine Maschinenfrau kreiert, um das futuristische Metropolis in einen zerstörerischen Klassenkampf hineinzuziehen.

Diesem bösen Zwilling, verkörpert durch die Puppe, leiht die Schauspielerin dagegen lediglich ihre Stimme - die Bewegungen übernehmen andere. "Das ist schon ein seltsames Gefühl", sagt Hein über diese Fremdbestimmung. "Man ist irgendwie gefesselt und wird doch zunehmend in die Maschinenfrau hineingesogen."

Schöpfer der künstlichen Gestalten, im fiktiven (als Rotwang) ebenso wie im realen Leben, ist Gast-Schauspieler und Puppenbauer Michael Pietsch. Zweieinhalb Monate hat er als moderne Mischung von Prometheus und Pygmalion in der Werkstatt verbracht und das Antlitz seiner Kollegen in Holz gebannt.

"Dich zu bauen war schon ein faszinierender Prozess", sagt er zu Mareike Hein. "Es hatte schon etwas von Seelenraub und Ausbeutung." Ein Aspekt, der in der Inszenierung von Regisseur Jan-Christoph Gockel (der schon mehrfach mit ähnlichen Inszenierungen an deutschen Bühnen für Aufsehen gesorgt hat) ein zentrales Motiv ist.

"Es ist ja zumindest hierzulande nicht mehr so, dass überall Tausende täglich unter Tage fahren", erklärt Hein. "Man arbeitet doch eher allein, beutet sich dabei aber selbst aus." Der sich freiwillig zu immer mehr Leistung treibende Lohnsklave also, der, um im Job-Wettstreit nicht auf der Strecke zu bleiben, zur ständig rackernden Maschine wird.

Bis diese Amok läuft. "Aus diesem Grund sind wir auch von der anfänglichen Idee abgekommen, die Puppen zu genauen Kopien der Schauspieler zu machen, mit ähnlichen Kostümen und dergleichen", führt Pietsch aus. "Sie sollen Werkzeuge sein, nicht etwas Kostbares."

Doch ungefährlich sind diese Werkzeuge nicht gerade. Zwei Seelen schlagen, ach, in meiner Brust - im Falle von Mareike Heins Doppelrolle ist dieses Zitat einmal mehr zutreffend. Auf der einen Seite die unschuldige, reine, vom Sohn des Metropolis-Herrschers geliebte Maria, auf der anderen die künstliche Femme Fatale, die im Exzess badet und die zuvor in Zaum gehaltenen Massen zur Revolution aufpeitscht.

Premiere: Samstag, 9. November, 19.30 Uhr, Halle Beuel. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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