Buchtipp Verflogener Goldstaub

Bonn · Die Erzählungen und Filmentwürfe von F. Scott Fitzgerald wurden erstmals publiziert und künden vom Ende der großen Party.

 Das Cover der Story-Sammlung.

Das Cover der Story-Sammlung.

Foto: HOFFMANN UND CAMPE

Mit 24 war er ganz oben: Sein erster Roman „Diesseits vom Paradies“ nahm das Lebensgefühl der „Roaring Twenties“ vorweg, und eine Woche nach Veröffentlichung heiratete der amerikanische Autor Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) seine große Liebe. Zelda war der Prototyp jener kapriziös über alle Benimmgrenzen springenden Frauen, die zu Jazz tanzten, die rauchten, tranken und „Flappers“ genannt wurden.

Goldstaub lag auf diesem Paar, das Fitzgeralds literarische Erfindungen auf mondänen Reisen zwischen Riviera und Paris nachzuspielen schien. Die 16 Erzählungen (und zwei Filmentwürfe), die jetzt erstmals aus dem Nachlass publiziert werden, künden aber schon vom Ende der großen Party.

„Böser Traum“ heißt jene Story, in der vier reiche Brüder nach dem Börsenkrach von 1929 in der Psychiatrie landen. Mit Geldnöten und Nervenkliniken kannte sich Fitzgerald aus, da die labile Zelda Stammgast eines teuren Privatsanatoriums wurde.

Sein Roman „Der große Gatsby“ war 1924 beileibe kein Verkaufserfolg gewesen, so dass er sich als „Skriptdoktor“ in Hollywood verdingte und Kurzgeschichten für Tageszeitungen und Magazine schrieb. Viele dieser Storys haben Schliff und Tiefgang. „Abseits“ etwa, in das die junge Kiki gerät, als sie sich in einen Footballstar verliebt. Dass der Autor dabei die Geschäftemacherei im College-Sport bloßlegte, wusste etwa die „Saturday Evening Post“ nicht zu schätzen. Sie lehnte die Geschichte ab, weil ihr angeblich „das Glühen“ fehlte.

Bei Routine „gefriert mir die Tinte“

Umgekehrt rüttelte Fitzgerald sehr bewusst an den Stäben seines Imagekäfigs: Geschichten über junge Liebe „fallen mir immer schwerer und kommen mir immer unaufrichtiger vor“, warnte er die Redaktion von „Collier's“. Und Zelda gestand er: „Sobald ich das Gefühl habe, dass ich etwas nach einem simplen Muster schreibe, gefriert mir die Tinte, und mein Talent macht sich aus dem Staub.“

Davon ist in den stärksten Geschichten des Bandes nichts zu spüren. Man begegnet selbstbewussten Frauen wie der attraktiven Krankenschwester Trouble, die sehr genau weiß, „dass sie im Lehm der Männer einen deutlichen Abdruck hinterlassen hatte“. Unterdessen lernt die erlebnishungrige Gwen, gerade 15, dass es wichtigere Dinge gibt als Perlen und Chinchillas.

Der Schriftsteller war von David O. Selznick für den Feinschliff am Drehbuch für „Vom Winde verweht“ engagiert, konterte die Melodramatik des Stoffs aber in seiner grausamen Bürgerkriegserzählung „Daumen hoch“. Resultat: unverkäuflich.

Obwohl er die Lohnschreiberei für Hollywood hasste, legte er manche Story filmisch an. Da gibt es einen charismatischen Forschungsreisenden, der sich ob eines verwechselten Kardiogramms in Todesnähe wähnt („Die Frauen im Haus“), oder eine müde Miederwarenverkäuferin, die ein kleines Wunder erlebt. Dem „New Yorker“ erschien diese makellose Geschichte („Danke für das Feuer“) zu „absonderlich.“ Das größte Kunststück gelang Fitzgerald mit der Titelstory „Für dich würde ich sterben“: Im Schatten des Chimney Rock droht der junge Filmstar Atlanta Downs einem Fremden zu verfallen, für den sich angeblich schon mehrere Frauen umgebracht haben. Man spürt einen dunklen Hitchcock-Sog, lauscht fatalen Sirenengesängen und liest unwillkürlich schneller. Das Ansinnen diverser Redaktionen, der Autor möge das Selbstmordsujet etwas abmildern, wies dieser entrüstet zurück. Und obwohl er sah, dass der Goldstaub verflogen war, fand er es doch bitter, „so völlig und ungerechtfertigt unterzugehen, nachdem man so viel gegeben hat“.

F. Scott Fitzgerald: „Für dich würde ich sterben“. Erzählungen, deutsch von Gregor Runge, Andrea Stumpf und Melanie Walz. Hoffmann und Campe, 492 S., 25 Euro.

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