Buchtipp: Stadelmaiers "Umbruch" Umbruch und Ausbruch

Bonn · Gerhard Stadelmaier hat aber weniger einen Schlüsselroman über die FAZ als vielmehr eine autobiografisch eingefärbte Liebeserklärung an den Journalismus geschrieben.

Der alternde Journalistenprofi blickt auf den Nachwuchs, auf frisch von der Uni hereingeschneite Nachwuchskräfte und denkt: Sie schmeicheln der gut entwickelten Eitelkeit des Herausgebers bis zur schamlosen Liebesdienerei. Besagter Herausgeber habe diese Figuren so lange protegiert, „bis er ihre Falschheit, Hohlheit und Aufgeblasenheit erkannte, da war es dann schon zu spät, da saßen sie schon im Karrieresessel, zum Beispiel auf dem, der er gerade freigegeben hatte –, um ihm dann später denn auch böse, schnöde Narrennasen zu drehen, sein Erbe zu vergeuden und die Zeitung finanziell, personell und intellektuell an alle Zeitgeistwände zu fahren. Denn sie hatten nicht sein Format.“

Autor dieser Zeilen ist Gerhard Stadelmaier, von 1989 bis 2015 Theaterredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und Autor des Romans „Umbruch“ (Zsolnay, 224 S., 22 Euro). Es gehört nicht viel Fantasie dazu, in den zitierten Zeilen FAZ-Herausgeber Joachim Fest (1926-2006) zu entdecken und seinen Nachfolger Frank Schirrmacher (1959-2014). Stadelmaier, Jahrgang 1950, hat aber weniger einen Schlüsselroman über die FAZ – im Buch heißt sie „Staatszeitung“ – geschrieben als vielmehr eine autobiografisch eingefärbte Liebeserklärung an den Journalismus von der Lokalzeitung bis zum überregionalen Blatt – und an die Theaterkritik.

Da taucht dann unvermeidlicherweise „Saint Schorsch“ auf, in dem man den legendären Vorgänger Stadelmaiers bei der FAZ, Georg Hensel, wiedererkennt. Ihm widmet Stadelmaier ein ebenso anrührendes wie witziges Porträt.

Der Lektürespaß resultiert aus wagemutigen sprachlichen Wendungen und wirkungsvoll gesetzten Pointen, aus der hoch entwickelten Beobachtungsgabe des ehemaligen Theaterkritikers und aus seinen unbarmherzigen Urteilen. Und immer wieder erweist er Beethoven seine Reverenz. Die Romanprosa verschmilzt in „Umbruch“ auf originelle Weise mit Reflexionen über die Musik des großen Bonners.

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