Gastspiel im Theater Bonn Symbiose zweier Seelen

Bonn · Der querschnittsgelähmte Schauspieler Samuel Koch hat ein Kafka-Gastspiel in der Bonner Theater-Werkstatt gegeben. Unser Autor findet: „Ein Bericht für eine Akademie“ geht unter die Haut.

 Ergreifendes Drama: Samuel Koch (vorne), Robert Koch (hinten, mit Maske) in der Werkstatt.

Ergreifendes Drama: Samuel Koch (vorne), Robert Koch (hinten, mit Maske) in der Werkstatt.

Foto: Thomas Kölsch

Gefangen sind sie in gewisser Weise beide: Der sprechende Affe Rotpeter in der Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ in einer Kiste, der querschnittsgelähmte Schauspieler Samuel Koch im eigenen Körper. Die Lösung? Für den einen die Menschwerdung – und für den anderen die Symbiose mit seinem Freund und Kollegen Robert Lang. Zusammengeklebt, vereint, in gewisser Weise zwei Seelen, die einen Körper nutzen. Dergestalt haben Koch und Lang nun im Rahmen eines gerade einmal halbstündigen Gastspiels auf der Werkstattbühne des Theater Bonn Kafkas Text inszeniert und ihm durch diese unaufgezwungene Parallele eine ganz besondere Wucht gegeben.

Dabei ist schon die Vorlage an sich beeindruckend. Mitunter äußerst zynisch lässt Kafka Rotpeter seinen Wandlungsprozess Revue passieren, der ihn aus dem engen Käfig der Firma Hagenbeck befreien soll. Indem er sich seiner animalischen Natur entledigt, sich dem Rausch von Tabak und Alkohol hingibt und sich somit unwissentlich selbst dressiert, gelingt es ihm, von seinen Entführern anerkannt zu werden. Begierig lernend, so sagt er, habe er die Durchschnittsbildung eines Europäers erreicht, zudem eine überaus erfolgreiche Karriere als Varieté-Künstler gestartet. Äußerlich bleibt er zwar Affe, innerlich ist er jedoch zum Mensch mutiert – was sogar dazu führt, dass er sich eine halbdressierte Schimpansin als Gespielin hält. Diese Form der Sklaverei betreibt kein ehrbares Tier. Doch immerhin hat Rotpeter so zwar keine Freiheit, aber zumindest einen Ausweg gefunden.

Der Weg, den Koch und Lang derweil gehen, ist derweil weitaus moralischer. Dank Gaffertape verschmelzen die beiden Akteure zu einer Einheit, werden zu einem berührenden Hybriden, in dem Lang seinem Freund leiht, was diesem fehlt. Mit einer phänomenalen physischen Leistung trägt er Koch, scheinbar mühelos mit ihm tanzend und herumtollend, während beide tief in die Rolle des menschgewordenen Affen eintauchen. In den Sprechakten wechseln sie sich dabei ohne erkennbare Trennung von Menschen- und Affenseele ab; Lang erscheint zwar zunächst mit schwarzer Strumpfmaske und agiert somit als gesichtsloser Träger Kochs, als Es für dessen Ich und Über-Ich, doch zerfällt diese Differenzierung im Verlauf des Stücks zunehmend.

Sie haben sich mit dieser Situation arrangiert, so wie auch Rotpeter, ohne allerdings gegen ihre Natur handeln zu müssen. Eine bemerkenswerte Leistung, die großen Respekt verdient. Insofern lohnt sich bei der nächsten Gelegenheit ein Abstecher in die Theater-Werkstatt: Am Samstag, 11. März, ist das Schauspiel-Duo mit ihrer Kafka-Inszenierung erneut in Bonn zu sehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Der Macke vom Müll
Neue Folge des Crime-Podcasts „Akte Rheinland“ Der Macke vom Müll
Aus dem Ressort