Festival "Over the Border" in Bonn So klingt Glück

Bonn · „Over the Border“: Quadro Nuevo und Cairo Steps harmonieren perfekt, Bukahara und LaBrassBanda begeistern. Das Festival ist ein voller Erfolg.

Was für ein Klangteppich! Farbenfroh, engmaschig und mit herrlichen, ineinanderfließenden Mustern versehen, birgt die Musik, die an diesem Abend im Telekom Forum erklingt, das Beste aus West und Ost. Klarinette und Nai, Harfe und Kanun, Klavier und Oud harmonieren perfekt, ergänzen sich, so als würden sie schon immer zusammengehören.

Töne und Melodien umgarnen einander, bringen orientalische Elemente in einen Wiener Kaffeehauswalzer oder Klezmerphrasierungen in eine Sufiinterpretation und erscheinen doch nur als logische Ergänzungen einer Musik, die ganz auf Grenzen verzichtet und dafür mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Begeisterung bedacht wird. Was die beiden Formationen Quadro Nuevo und Cairo Steps hier im Rahmen des Festivals „Over the Border“ präsentieren, ist nicht weniger als die ideale Synthese zweier Kulturkreise, die nur auf den ersten Blick Welten trennt – und die letztlich aus einem Dialog nur voneinander lernen können.

Kennengelernt haben sich das bayrische und das ägyptische Weltmusikensemble bei einem Konzert in der Frankfurter Oper. Es war Liebe auf den ersten Ton. Man verstand sich, war neugierig aufeinander, wollte zusammenarbeiten. Das Ergebnis trägt den Titel „Flying Carpet“: Die elf Mitglieder der beiden Bands haben zusammen mit einem vom Cellisten Jan Boshra geleiteten Streichquartett sowie weiteren Solisten diese CD aufgenommen und sind nach drei Konzerten in Ägypten nun auch in Deutschland unterwegs.

„Wir wollten zeigen, dass kulturelle und religiöse Unterschiede keine Rolle spielen“, erklärt Oud-spieler Basem Darwisch, einer der Gründerväter von Cairo Steps. „Wir sind Kopten und Christen, Muslime und Atheisten – aber wir sind hier, um Musik zu machen. Und um Menschen zu sein.“ So zaubern sie also, lassen vor dem inneren Auge die Landschaften des Nils entstehen, die ruhigen Gärten von Damanhur und den Trubel des Basars von Kairo. Eine Komposition ist dem blinden Sänger Sheikh Ehab Younis gewidmet, der voller Inbrunst seine Stimme über das kleine Orchester erhebt und dafür zu Recht bejubelt wird. Noch begeisterter wird allerdings Sufi-Sänger Ali El Helwabi gefeiert, der von so viel Zuneigung sichtlich gerührt ist. Den Großteil des Konzerts bestimmen Instrumentalstücke, in denen alles zusammenfließt, alle Grenzen überwunden werden und einfach etwas Schönes entsteht, etwas Einzigartiges und Wunderbares.

Es war eine lange Nacht. Und eine wilde. Eine, die geprägt war von Tanzen, Jubeln, Feiern – und von Blasmusik, gespielt von einer abgedrehten Truppe in Krachledernen. Nein, hat nichts mit dem Oktoberfest zu tun. Das kann ja nur eins bedeuten: LaBrassBanda waren zum „Over the Border“-Festival gekommen, um mit ihrem Alpen-Techno dem Publikum einzuheizen. Das ließ sich nicht lange bitten. Mehr als 2000 Menschen waren ins Telekom Forum gekommen, so viele, dass der eigentliche Saal kurzerhand um das Foyer erweitert worden war.

Alles war vertreten, vom begierigen Partyvolk bis zur Kleinfamilie, die der Band aus Bayern zum zehnjährigen Bestehen gratulieren wollte. Doch wer nur deswegen den Weg nach Beuel auf sich genommen hatte, musste sich zunächst in Geduld üben – und durfte sich von einem Kölner Quartett begeistern lassen.

Immerhin gehörte der erste Teil des Abends ganz Bukahara. Die Neofolk-Formation, die irgendwo zwischen Gypsy, Jazz, Reggae und arabisch gefärbtem Balkanbeat schwebt und diese Mischung mit einer Art Straßenkötercharme zu pflegen versteht, sorgte von der ersten Sekunde an für gute Laune. Die wollten nur spielen. Also spielten sie. Barfuß natürlich, mit Leichtigkeit, Nachdruck und beeindruckender Virtuosität. Bei Bukahara schien alles möglich, alles denkbar, selbst ein Duett zwischen Geige (Daniel Avi Schneider) und Posaune (Max von Einem), die wirklich hervorragend miteinander harmonierten. Dazu der herrlich groovende Bass von Ahmed Eid, der zudem mit einem arabischen Lied einen Höhepunkt setzte, sowie Gitarrist und Leadsänger Soufian Zoghlami, der am Anfang noch ein wenig blass wirkte, sich aber immer mehr steigerte und schließlich bei „No“, der neuen Single zum neuen Album, jeden im Saal in der Hand hatte.

Um 21.45 Uhr war dann endlich die Zeit für LaBrassBanda gekommen. Zeit zum Ausflippen. Das enorme Tempo von Bukahara konnte die ebenfalls barfüßige Hochgeschwindigkeitskapelle mühelos toppen, hämmerte mit Schlagzeug, Bass und Blech massive Technobeats in Richtung Publikum, immer wieder, ohne dabei vorhersehbar zu wirken. Ständig wechselten die Stil- und die Fahrtrichtungen, man raste mal über eine Ska-Piste, schlitterte mitunter sogar kurzfristig in Jazzgefilde und war alles, nur nicht langweilig.

Die späte Stunde störte keinen mehr, zumal die Band um Frontmann Stefan Dettl ohnehin keinen Platz für große Gedanken ließ. Nur für Emotionen und den vom pulsierenden Beat getriebenen Körper. Irgendwann dann die Fusion, LaBrassBanda plus Bukahara. Zwei Formationen, die sich kennen und schätzen. Gemeinsam eine Wucht. Und so war das Publikum schließlich, gegen Mitternacht, ebenso erschöpft wie glücklich. Was will man mehr?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Fans gehen neben einem Auto der
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch„Die Bedrohungslage ist hoch“
Aus dem Ressort