Neu im Kino: "Passengers" Reise ins Land der Träume

Bonn · Morten Tyldums „Passengers” fügt dem Katalog der „Lost in Space”-Geschichten ein neues, interessantes Szenario hinzu. Der Film bietet ein breites, emotionales Spektrum.

 Begegnung im All: Jim (Chris Pratt) und Aurora (Jennifer Lawrence).

Begegnung im All: Jim (Chris Pratt) und Aurora (Jennifer Lawrence).

Foto: dpa

Vielleicht liegt es an unserem hektischen Alltag, den überfüllten Straßen, dem digitalen Kommunikationsstress und der Sehnsucht nach Entschleunigung, dass das Kino sich während der letzten Jahre immer wieder in die einsamen Weiten des Weltraumes geflüchtet hat. Im Raumanzug schwebte Sandra Bullock in Alfonso Cuaróns „Gravity“ allein durchs All. Matthew McConaughey stürzte sich in Christopher Nolans „Interstellar” tapfer in die Tiefen eines Wurmlochs, um sich in einem fünfdimensionalen Raum wiederzufinden. In Ridley Scotts „Marsianer” wurde Matt Damon für einen einsamen Survival-Trip auf den Mars geschossen. Nun fügt Morten Tyldums „Passengers” dem Katalog der "Lost in Space"-Geschichten ein neues, interessantes Szenario hinzu.

„Überbevölkert. Überteuert. Überschätzt.” mit diesem griffigen Slogan beschreibt die Firma „Homestead” das Leben auf der Erde und bietet seinen Kunden eine Alternative zum unzulänglichen, irdischen Dasein an. In fernen Galaxien hat das Unternehmen ein paar Planeten akquiriert, die nun zügig mit Erdlingen kolonisiert werden. Schlappe 120 Jahre dauert die Reise und deshalb werden die Passagiere in einen Hibernationsmodus versetzt, der sie aus dem Jahrhundertschlaf ohne Alterungserscheinungen wieder aufwachen lässt. Aber als ein Meteorit das riesige Raumschiff streift, erwacht Jim Preston (Chris Pratt) neunzig Jahre zu früh und ist auf dem riesigen Luxusraumschiff das einzige menschliche Wesen, das nicht im künstlichen Koma liegt.

Eine Rückführung in den Schlafmodus ist nicht möglich und so blickt Jim der unschönen Wahrheit ins Auge: Er ist unterwegs ins Land seiner Träume und wird die Ankunft nicht mehr erleben. Immerhin gibt es einen androiden Barkeeper (Michael Sheen), der auf Empathie programmiert ist. Auch der vollautomatisierte Dienstleistungsapparat säuselt freundlich aus den Lautsprechern, ist aber für die Notlage eines Früherwachenden nicht ausgerichtet. Wer sich in das Lebensgefühl des Passagiers einfinden möchte, muss sich nur vorstellen, er befinde sich in der Warteschleife der Telekom-Kundenhotline – ein Leben lang und ganz allein. Über ein Jahr hält Jim durch, dann erblickt er im Schlafsaal Aurora (Jennifer Lawrence).

Wie Dornröschen liegt die Schöne im gläsernen Kokon und der einsame Reisende überlegt lange, ob er sie wirklich wachküssen soll. Aber schließlich gewinnt der hormongesteuerte Egoismus des Mannes und nach einer Phase verständlicher Verstörung scheint Jims Plan auch wirklich aufzugehen. Aurora verliebt sich in ihn und die beiden finden in ihrer limitierten, perpektivlosen Existenz das kleine, private Glück – bis die Wahrheit ans Licht kommt.

Mit „Passengers“ entwirft Tyldum ein hinreißendes Science-Fiction-Szenario, in dem die Sehnsucht nach einem Neuanfang in kosmischer Stagnation strandet, schmerzhafte Einsamkeit in zutiefst unmoralisches Handeln mündet, Egoismus zunächst mit großer Liebe belohnt und später mit tiefer Verachtung bestraft wird. Ein Setting mit einem breiten, emotionalen Spektrum, das zudem – wie jede gute Zukunftsvision – Tendenzen der Gegenwart weiterdenkt und ad absurdum führt. Volle Punktzahl bekommt auch das futuristische Design des Raumschiffes, das entfernt an einen riesigen, begehbaren iPod erinnert.

Aber im letzten Viertel gerät die Geschichte ins Stolpern, weiß mit den aufgerissenen Konflikten nichts anzufangen, irrt in sinnlosen Actionsequenzen umher, bringt das kriselnde Paar in eine konventionelle Bedrohungssituation und zieht schließlich die Reißleine der Versöhnung.

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