40 Jahre Museum Ludwig Kritische Gratulanten erwünscht

Köln · Künstler stellen im Museum Ludwig die von Direktor Yilmaz Dziewior geleitete Institution zum Jubiläum auf den Prüfstand.

 „Forever“ heißt diese Fahrrad-Installation des in Berlin lebenden Chinesen Ai Weiwei.

„Forever“ heißt diese Fahrrad-Installation des in Berlin lebenden Chinesen Ai Weiwei.

Foto: Thomas Brill

Bürgerkrieg im Souterrain: einen umgekippten Chrysler, verbogene Gitter, Reifen und Felgen türmt der türkische Künstler Ahmet Ögüt zu „Bakunin's Barricade“ auf. Mittendrin: Kopierte Ikonen aus der Museumssammlung (Kokoschka, Warhol), die feindliche Truppen aufhalten sollen.

So ungemütlich beginnt die Schau „Wir nennen es Ludwig“, mit der das Kölner Museum 40 Jahre nach der ersten Schenkung von Peter und Irene Ludwig Jubiläum feiert. Ohne eitle Selbstbespiegelung, denn 25 Künstler und -gruppen fungieren als kritische Gratulanten, Den ersten Partyschreck gibt der gebürtige Kölner Hans Haacke: Sein 14-teiliger Zyklus „Der Pralinenmeister“ nimmt Ludwigs Schokoladenimperium ebenso scharf unter die Lupe wie das Kunstreich, in dem Peter der Große teilte und herrschte.

In Marcel Odenbachs Video darf sich der Attackierte als „Mimose“ offenbaren, wobei ein Seitenblick in den Aachener Garten sein Faible für den von den Nazis geschätzten Bildhauer Arno Breker verrät. Dessen Skulpturen sind auch Teil einer Video-Doppelprojektion von Rosemarie Trockel, die gleich nebenan suggestive Schaueratmosphäre schafft.

Auch die New Yorker Guerrilla Girls, mit grauslichen Gorilla-Masken angereist, lesen dem Museum die Leviten: „Female trouble“ dignostiziert ihr Video, da von den 3496 Werken des Hauses kümmerliche elf Prozent Prozent von Frauen stammten. Nicht viel besser sehe es bei nicht-weißen Künstlern aus... Direktor Yilmaz Dziewior aber, der die aufwendige Schau mit seinem Kuratorenteam stemmte, will den Blick weiten. Dies gefällt Hortensia Völckers (Kulturstiftung des Bundes) so gut, dass sie für die rheinische Kunstglobalisierung weitere milde Gaben ankündigte. Sie tat dies auf der Empore vor Georges Adéagbos Mega-Installation, die der Afrikaner freilich aufbrach und Teile daraus in den Beuys-Raum wie unter die Expressionisten schmuggelte. Und wer sich wundert, warum neben Paula Modersohn-Beckers „Worpsweder Landschaft“ und anderen Werken noch Bilderhaken hängen, wird gerade Zeuge eines sanften „Eingriffs“ von Christopher Williams.

Solche subversiven Spiele mit der Ludwig-Sammlung treibt auch Ai Weiwei, der Marcel Duchamps „Fahrradrad“ (per Monitor präsent) seinen silberblinkenden Drahteselkreis „Forever“ gegenüberstellt. Oder Minerva Cuevas (Mexiko), die mit einem dreidimensionalen Werk an den damals heiß umstrittenen Ankauf von Mondrians Gemälde „Tableau I“ erinnert.

Überhaupt steckt viel Hirnschmalz in den Arbeiten. Der Thailänder Pratchaya Phinthong etwa ersann eine komplizierte Aktion mit Flüchtlingen, wobei man hier nur zwei Teller sieht, die er in einer Unterkunft von Asylsuchenden erhielt. Manches erschließt sich (trotz guter Saaltexte) erst auf den zweiten Blick.

Doch die innovativen Gemälde der jungen Amerikanerin Avery Singer überwältigen ebenso unmittelbar wie die LED-Leinwände, in denen der Japaner El Arakawa zwei Arbeiten von Michael Buthe spiegelt. Und den heitersten Glückwunsch steuert der Kubaner Diango Hernandez bei. Zwischen lokalen Bezügen (die Haubrich-Hommage der Villa Design Group) und Weltkunst (Meschac Gabas „Reflection Room“) spannt sich ein aufregender Bogen. Am Ende steht, würdig und souverän, Gerhard Richters zehnteiliger Köln-Zyklus, in dem sich der genius loci oft sehr geschickt tarnt.

„Das Haus flirrt und vibriert – Peter und Irene Ludwig wären heute sehr gern durch dieses Museum gegangen“, lobt Birgitte Franzen, Leiterin der Aachener Stiftung, die den Namen der verstorbenen Sammler trägt. Und tatsächlich: Gerade mit dieser selbstkritisch-pointierten Schau pocht das Haus wieder kräftig auf seinen Weltklassestatus.

Ab Samstag bis 8. Januar 2017, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Do bis 22 Uhr, Heinrich-Böll-Platz. www.museum-ludwig.de

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