Käthe Kollwitz Museum Kölner Ausstellung zeigt Fotos von Eva Besnyö

Köln · Neues Sehen und Bauhausästhetik: Das Kölner Käthe Kollwitz Museum zeigt Fotos der ungarischen Künstlerin Eva Besnyö aus den Brennpunkten Budapest, Berlin und Amsterdam.

 Eva Besnyös Porträt der Schauspielerin Narda Fleming aus dem Jahr 1937. FOTOS: EVA BESNYÖ/MAI

Eva Besnyös Porträt der Schauspielerin Narda Fleming aus dem Jahr 1937. FOTOS: EVA BESNYÖ/MAI

Foto: Kollwitz

Es mussten offenbar nur die richtigen Weichen gestellt werden: Die erste Kamera 1925 mit 15, eine leicht zu bedienende Kodak Brownie, 6x9; drei Jahre später Eintritt in das Studio des fortschrittlichsten Fotografen von Budapest, József Pécsi; ein Jahr drauf die erste Profikamera, eine Rolleiflex 6x6, ein Geschenk des Vaters.

Doch für die beschenkte Eva Besnyö war ein Impuls vielleicht noch wichtiger und letztlich entscheidend. Beim Durchblättern des 1928 erschienenen Bildbandes „Die Welt ist schön“ von Albert Renger-Patzsch kommt die Erleuchtung: „Noch nie habe ich die Welt aus solcher Nähe gesehen“, meint sie, „es gab mir eine komplett neue Perspektive“. Und weiter: „Renger-Patsch isolierte Teile von einem Ganzen, bildete ein Detail ab und zeigte davon die Schönheit. Das packte mich.“

Diese Entdeckung, der künstlerische Zeitgeist der späten 1920er Jahre, Neue Sachlichkeit und Bauhaus haben Besnyös Kunst nachhaltig geprägt – von den frühen Tomaten- und Bierflaschenstillleben in Budapest bis zur Reportagefotografie, die die betagte Eva Besnyö (1910-2003) in den Niederlanden betrieb. Die Tochter des jüdischen Rechtsanwalts Béla Blumengrund hat ein beachtliches, hierzulande kaum bekanntes fotografisches Werk geschaffen, das mit den Brennpunkten Budapest, Berlin und Amsterdam auch ein Stück europäischer Geschichte schreibt.

Es ist nicht die erste fotografische Entdeckung, die Direktorin Hannelore Fischer in ihrem Kölner Käthe Kollwitz Museum zeigt. Erneut kooperiert sie dabei mit dem Verein „Das Verborgene Museum“ in Berlin, dessen Kuratorinnen Marion Beckers und Elisabeth Moortgat die Besnyö-Schau organisiert haben.

Der Alltag am Alexanderplatz

Mit rund 80 Fotos, großteils eigenhändige Abzüge aus dem Nachlass, wird das Werk der exzellenten Fotografin dokumentiert. Das reicht von Objekt- und Architekturfotos, die mit harten Kontrasten, gleißendem Licht und Schlagschatten sowie ungewöhnlichen Perspektiven arbeiten, über Straßenszenen und Menschenstudien bis hin zu Porträts befreundeter Künstler, Schauspielerinnen und Sängerinnen. Kinder, die Besnyö in den Straßen von Budapest und Berlin beobachtete, interessierten sie besonders. Aber auch der Alltag, etwa am Alexanderplatz in Berlin oder an der Küste von Zeeland in Holland, reizten die Fotografin zu eindrucksvollen Impressionen. Die wirken lapidar, streng komponiert, verweigern sich aber, strikt dem Zeitgeist der Neuen Sachlichkeit folgend, jeglicher Art von Inszenierung – die Schönheit entsteht allein durch die Klarheit der Dinge und des Ausdrucks, durch das Wechselspiel von Licht, Material und Schatten.

Stilistisch ist Besnyö ein Kind der 1920er und 1930er Jahre, der Bauhausästhetik. Ihr Landsmann László Moholy-Nagy, 1923-1928 Lehrer am Bauhaus, hatte 1925 ein Neues Sehen, einen neuen Blick auf die Dinge propagiert. Die junge Fotografin ließ sich von ihm und dem der Neuen Sachlichkeit zugehörigen Renger-Patzsch inspirieren.

Mit wild abstehenden Haaren sieht man Besnyö, wie sie in einem Selbstporträt 1931 voll konzentriert in den aufgeklappten Spiegel ihrer Rolleiflex blickt, um ihre Welt zu erfassen. Die war nicht einfach in jenen Jahren für eine moderne Frau mit jüdischer Herkunft. 1930 war sie nach der Gesellenprüfung zur weiteren Ausbildung nach Berlin gegangen. Eine pulsierende Stadt, deren Menschen sie porträtierte. Oktober 1932 übersiedelt sie wegen der wachsenden Bedrohung jüdischer Menschen durch die Nazis nach Amsterdam, wo sie nach Kriegsausbruch auch nicht mehr sicher ist. Sie versteckt sich in Rotterdam, fingiert einen Stammbaum, wird 1944 „arisiert“ und entgeht so der Deportation.

In Holland entstehen traumhafte Impressionen vom Meer bei Westkapelle, exzellente Porträts und Architekturbilder, sie dokumentiert aber auch die verheerenden Bombardements von Rotterdam aus dem Jahr 1940. Politisch blieb sie auch im Alter, als sie mit ihrer Leica die Aktionen der feministischen Bewegung „Dolle Mina“ begleitete.

Käthe Kollwitz Museum, Köln; bis 9. Dezember. Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 Uhr, Katalog (Wienand) 18 Euro in der Ausstellung. Rahmenprogramm:www.kollwitz.de

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